ISBN:
9783836619493
Language:
German
Pages:
1 Online-Ressource (83 Seiten)
Edition:
1. Auflage
Dissertation note:
Diplomarbeit Humboldt-Universität zu Berlin 2007
DDC:
300
Keywords:
Hochschulschrift
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Brasilien
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Schwarze
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Ethnische Identität
Abstract:
Aus der Einleitung: Im Juli 2002 überraschte der US-amerikanische Präsident George W. Bush seinen damaligen brasilianischen Amtskollegen Fernando Henrique Cardoso mit der Frage Do you have blacks, too? Seine damalige Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice musste Bush daraufhin aufklären, dass in Brasilien doppelt so viele Schwarze leben wie in den USA. Diese Anekdote ist exemplarisch. Jedoch besitzt Brasilien heute nach Nigeria die zweitgrößte schwarze Bevölkerung der Welt in absoluten Zahlen. Laut des letzten Zensus des Jahres 2000 sind von den rund 170 Millionen Einwohnern der Gesamtbevölkerung 76,5 Millionen Afrobrasilianer. Da Brasilien nach außen oft als ein Land mit einer homogenen Bevölkerung dargestellt wird, wissen viele nicht, dass dort unterschiedliche ethnische Gruppen (siehe Kapitel 3.2) zusammenleben. Die Gründe dafür liegen darin, dass man sich auch innerhalb des Landes lange Zeit dessen nicht bewusst war oder sein wollte, dass es verschiedene ethnische Gruppen gibt. Brasilien hat sich jahrhunderte lang auf das Prinzip der Rassendemokratie (siehe Kapitel 4.3) gestützt, dem zu Grunde liegt, dass alle Brasilianer nach Abschaffung der Sklaverei 1888 unabhängig von Rasse, Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit frei, in Harmonie und mit gleichen Rechten und Pflichten nebeneinander leben sollten. Man glaubte an eine Vermischung der Rassen und es war für lange Zeit Ziel, diese Vermischung mit verschiedenen Mitteln, die innerhalb der Arbeit noch erklärt werden, durchzusetzen. Dass es jedoch nicht in dem gewünschten Maße zu dieser Vermischung in Bezug auf die Gleichstellung aller Gruppen gekommen ist und diese heutzutage oft als ein Mythos dargestellt wird, beweist u.a. die Tatsache, dass 2003 Quotengesetze für verschiedene ethnische Gruppen in Brasilien eingeführt worden sind. Anhand der folgenden Darstellung des IGBE (Brasilianisches Bundesamt für Statistik und Geographie) von 1996 sieht man, dass die Einkommensverteilung zwischen der weißen und der schwarzen Bevölkerung sehr unterschiedlich ist. Dies stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass keine Gleichheit unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen herrscht und dass man heute schwarz und weiß trennt, wenn es um die Darstellung von solchen Statistiken geht, auch wenn sich die brasilianischen Schwarzen weder in ihrer Selbsteinschätzung als eine ethnische Minderheit (siehe Kapitel 3.3) sehen, noch von weißen Brasilianern als diese angesehen werden. In der Verfassung wird zum ersten Mal 1988 von einem ethnischen Pluralismus im Land gesprochen. Im Paragraphen VII der Verfassung wird eine plurikulturelle Gesellschaft anerkannt, deren verschiedene Volksgruppen, Indigene und Afrobrasilianer es zu schützen gilt. Außerdem wird der Ausdruck nationale ethnische Segmente benutzt, der implizit eine ethnische Vielfalt anerkennt, v. a. gegenüber den Indianern, denen ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Die Aufnahme dieses Artikels in die Verfassung ist zum großen Teil zurückzuführen auf die Bemühungen der indianischen und Schwarzenbewegungen Brasiliens, die u.a. für die Anerkennung ihrer Wurzeln kämpfen. Ob dieses Denken jedoch auch innerhalb der Bevölkerung eingesetzt hat, d. h. ob speziell Afrobrasilianer sich selbst als ethnische Gruppe bezeichnen würden und sich mit dieser auch identifizieren und es eine "schwarze Identität" gibt, wird in dieser Arbeit untersucht. Dieses Thema ist von hoher aktueller Relevanz, weil durch die Einführung der Quotengesetze das Nachdenken über ethnische Zugehörigkeit innerhalb der Bevölkerung in Gang gesetzt wurde, was bei einigen Menschen ein neues Bewusstsein geweckt hat. Es ist schwierig, in einer so heterogenen Gesellschaft wie Brasilien die Rasse als fundamentales Element für die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Gruppe zu sehen, so wie es in der Forschung bisher immer versucht wurde. Denn durch die Vermischungen von europäischen, indianischen und afrikanischen Genen sind so viele unterschiedliche Erscheinungstypen entstanden, dass es kaum möglich ist, diese einer bestimmten Rasse zuzuordnen. Aus diesem Grund widmet sich diese Arbeit der Untersuchung nach einer ethnischen Identität, die über die Rasse hinausgeht bzw. sie nur als ein mögliches Merkmal für die Herausbildung einer kollektiven Identität ansieht. Es wird untersucht, ob sich innerhalb der dunkelhäutigen Bevölkerung Brasiliens die Herausbildung einer ethnischen Identität festmachen lässt, die sie wiederum zu einer ethnischen Gruppe, als die sie vom Gesetz erfasst wird, werden lässt. Gang der Untersuchung: Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zunächst noch einmal konkretisiert wird, warum die Untersuchung ausgehend von der Quotenregelung eine besondere Bedeutung besitzt. Danach werden verschiedene Definitionen zu den Begriffen des Ethnischen, der ethnischen Gruppe, der ethnischen Minderheit und der ethnischen Identität zusammengetragen, da es bisher noch keine einheitlichen Definitionen zu den genannten Begriffen gibt, die für meine Untersuchung hilfreich sein konnten. Ausgehend davon wurden drei Hauptmerkmale ausgewählt, die sich in allen Definitionen wieder finden lassen, um anhand dieser zu untersuchen, ob sich in Brasilien eine schwarze Identität herausgebildet hat, die als ethnische Identität bezeichnet werden kann. Diese drei Hauptmerkmale bzw. Kriterien sind: eine gemeinsame Geschichte bzw. ein gemeinsamer Ursprung der ethnischen Gruppe, gemeinsame kulturelle Merkmale und Symbole, gemeinsame Identifizierung und Abgrenzung der ethnischen Gruppe; Diesen drei Punkten wurde jeweils ein großes Kapitel gewidmet. Aus den Werken von Ferreira und Sansone stammen die grundlegenden Fakten für die Untersuchung der Kriterien. Zur begrifflichen Erklärung bestimmter Sachverhalte zum besseren Verständnis für den Leser und um ausgewählte, für die vorliegende Untersuchung wichtige Aspekte näher zu erklären, werden weitere Autoren hinzugezogen. Kapitel drei beschäftigt sich mit wichtigen Etappen in Brasiliens Geschichte, die für die afrobrasilianische Bevölkerung eine herausragende Bedeutung eingenommen haben. Betrachtet werden besonders die Zeit während der Sklaverei, die Zeit der Vargas- und Militärdiktatur, sowie der Modernisierungsprozess. Ein extra Kapitel ist jeweils den Quilombos, der Schwarzenbewegung um Frente Negra Brasileira und Movimento Negro Unificado gewidmet sowie dem Branqueamento-Prinzip, da diese Elemente für das schwarze Selbstbild eine große Rolle gespielt haben. Das vierte Kaptitel dient der Untersuchung der gemeinsamen kulturellen Merkmale und Symbole einer möglichen Schwarzenkultur, wobei zunächst die in der Literatur immer wieder als typisch schwarze Aktivitäten bezeichneten Merkmale wie Capoeira, Afoxé und Bloco Afro, Candomblé, Sambaschule und Schwarzenbewegung näher beschrieben werden. Danach wird auf die Frage eingegangen, ob es wirklich typisch afrikanische Merkmale innerhalb der afrobrasilianischen Kultur gibt. Der letzte Teil dieses Kapitels beschreibt einige kulturelle Merkmale der heutigen afrobrasilianischen Jugendkultur, die nicht mehr nur rein an traditionellen afrikanischen Merkmalen festhält. Im fünften Kapitel, das sich mit Identifizierung und Abgrenzung beschäftigt, werden erstmals die Ansichten von Sansone und Ferreira getrennt analysiert und ihnen wird jeweils ein Kapitelabschnitt gewidmet, da sie eine unterschiedliche Gruppe von Afrobrasilianern betrachten, deren Identifizierung mit der Gruppe auf unterschiedliche Art abläuft. Ferreira untersucht aus sehr psychologischer Sicht den Prozess zur schwarzen Identitätsfindung eines Aktivisten der Schwarzenbewegung. Er orientiert sich dabei an einem Stadienmodell zur Identitätsbildung und beschreibt die vier Stadien estágio de submissao, estágio de impacto, estágio de militancia und estágio de articulacao, die ich zusammenfassend erklären werde. Sansone geht allgemein auf die Bezeichnung negro als Eigenbezeichnung für die Gruppe ein und untersucht, ob es unter der afrobrasilianischen Bevölkerung eine schwarze Gemeinschaft gibt. Abschließend wird ein Fazit gezogen und beurteilt, ob sich aus den genannten Kriterien, die in Bezug auf Brasilien analysiert werden, eine ethnische Identität der afrobrasilianischen Bevölkerung ableiten lässt.
Note:
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