Der Pharos von Alexandria. Vom Wegweiser zum Weltwunder


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2009

13 Seiten


Leseprobe


Vorwort

Bei meinen Kemet-Artikeln handelt es sich um Texte, in denen ich versuche auf wenigen Seiten viele Informationen zu liefern. Der inhaltliche Rahmen ergibt sich aus dem Titel-Thema der jeweiligen Kemet-Ausgabe. Alle Artikel in den Kemet-Magazinen sind bebildert; die Fotos ergänzen die Texte.

Mir war bei jedem einzelnen Artikel wichtig, nicht lediglich schon bekannte und überall nachzulesende Informationen zusammenzustellen und nachzuerzählen. Ich betrachte alle Themen aus einer über den Tellerrand der Ägyptologie hinausgehenden Perspektive und stelle oftmals Thesen in den Raum, die eine Diskussion anstoßen sollen. Es handelt sich dabei aber immer um begründete und nicht aus der Luft gegriffenen Überlegungen.

Für viele meiner Artikel bilden ethnologische, soziologische oder religionswissenschaftliche Ansätze den Rahmen, um alternative Sichtweisen zu ermöglichen. Dabei gehe ich durchaus – aus ägyptologischer Sicht – etwas provokativ an ein Thema heran. Aber immer nur mit dem Ziel, neue oder unbekanntere Aspekte darzustellen.

Um altbekannter Kritik von vornherein entgegenzutreten: Grundsätzlich ist ein über räumliche und zeitliche Grenzen hinwegreichender Kulturvergleich ebenso statthaft wie ein sich ausschließlich an die Originalquellen haltender Versuch, Erkenntnisse über die altägyptische Kultur zu gewinnen. Das Argument, es handle sich bei dem einen um eine anachronistische und bei dem anderen um die einzig akzeptable Vorgehensweise, greift nicht. Denn schließlich findet auch das sprachwissenschaftlich fundierte Interpretieren einer altägyptischen Originalquelle alles andere als zeitnah zu ihrer Entstehung statt. Und eine Quelle aus der ägyptischen Spätzeit ist immerhin auch schon zweitausend Jahre jünger als etwa eine aus der Pyramidenzeit, so dass die Interpretationsergebnisse der jüngeren Quelle als anachronistisch bewertet und zum Verständnis der älteren nicht herangezogen werden dürften, wollte man dieser Argumentation folgen.

Nicht nur der Kulturvergleich, sondern gerade auch der interdisziplinäre Ansatz erweitert unseren Verstehenshorizont. Dann finden sich Antworten auf Fragen, die sich aus ägyptologischer Sicht nie stellen würden und werfen Licht auf unbeachtete oder unbekannte kulturelle Phänomene. Auch scheinbar wissenschaftlich längst bearbeitete Bereiche müssen immer wieder auf den Prüfstand; allein, weil jedem Wissenschaftler und jeder Wissenschaftlerin eine subjektive Sichtweise zueigen ist und jeder Versuch, Subjektivität aus der Arbeit auszuschließen und reine Objektivität walten zu lassen, niemals gelingen kann.

Letztendlich kann es immer nur darum gehen, ein weiteres kleines Fenster zum Verständnis der altägyptischen Kultur aufzustoßen.

Der Pharos von Alexandria. Vom Wegweiser zum Weltwunder

Einleitung

Heute wird der um 280 v. Chr. vollendete Leuchtturm von Alexandria, der Pharos, ganz selbstverständlich zu den Weltwundern der Antike gezählt. In der ersten vollständig erhaltenen Liste der Sieben Weltwunder, die aus der Hand des Dichters Antipatros von Sidon aus dem späten 2. Jhd. v. Chr. stammt, wird der Leuchtturm von Alexandria aber nicht aufgeführt. Der Reihenfolge nach enthält sie folgende Weltwunder: Die Mauern von Babylon, die Zeus-Statue von Olympia, die Hängenden Gärten von Babylon, den Koloss des Helios von Rhodos, die Pyramiden von Ägypten, das Mausoleum von Halikarnass und den Tempel der Artemis von Ephesos. Die erste Erwähnung des Pharos in einer Weltwunderliste findet sich erst bei dem römischen Historiker Gaius Plinius Secundus dem Älteren, der im Jahr 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs ums Leben kam. Die von ihm verfasste Liste lautet folgendermaßen: Die Pyramiden von Ägypten, der Pharos von Alexandria, das Labyrinth von Ägypten, die Hängenden Gärten von Babylon, die Stadt Theben in Ägypten, der Tempel der Artemis von Ephesos und der Tempel des Zeus von Kyzikos.

In der Antike war die Sieben eine magische Zahl mit immenser Symbolkraft. Aus diesem Grund wurde die Liste der Sieben Weltwunder nicht einfach um neue Bauwerke erweitert. Ursprünglich aufgeführte Weltwunder mussten neuen weichen, um die Zahl Sieben nicht zu überschreiten. Es wurde allenfalls ein alles übertreffendes achtes Weltwunder hinzugefügt, bei Plinius ist das die Stadt Rom. Es stand also nicht fest, was man zu den Sieben Weltwundern zu zählen hatte. Die kanonisierte Liste wie wir sie heute kennen, mit dem Pharos als eines der Sieben Weltwunder, gibt es erst seit der Renaissance.[1]

Alexandria

Das von Alexander dem Großen 331 v. Chr. gegründete Alexandria erlebte unter seinem Statthalter Kleomenes von Naukratis und den ihm nachfolgenden Ptolemäern eine unglaubliche Blüte. Der Satrap und spätere König von Ägypten Ptolemaios I. Soter und dessen Sohn Ptolemaios II. Philadelphos bauten die Stadt innerhalb weniger Jahrzehnte zur kulturell und technisch fortschrittlichsten Stadt der damals bekannten Welt aus, etwa durch die Einrichtung der größten Bibliothek der damaligen Zeit oder mit der Errichtung des welthöchsten Turms, des Pharos. Die Stadt und ihre Bauwerke dienten der Propaganda des ptolemäischen Königshauses, das damit seine kulturelle, materielle und technische Überlegenheit demonstrierte.[2]

Der auf der Alexandria vorgelagerten Insel Pharos errichtete und nach ihr benannte Leuchtturm war eines der ersten und zugleich das spektakulärste der neuen Bauwerke. Ein bautechnisches Meisterwerk, das auf der ganzen Welt kein architektonisches Vorbild hatte und den Prototypen eines Leuchtturms an sich darstellte. Über eineinhalb Jahrtausende war der Leuchtturm von Alexandria der höchste Turm der Welt und ist bis heute der höchste je errichtete Leuchtturm überhaupt. Nicht umsonst wurde in vielen Sprachen für den Begriff Leuchtturm auf die Bezeichnung Pharos zurückgegriffen (spanisch und italienisch faro, portugiesisch farol, französisch phare, neugriechisch pharos). Aus ihm heraus hat sich außerdem das Minarett entwickelt. Manarah ist das arabische Wort für einen erhöhten Platz, wo Feuer und Licht ist. Damit ist im Prinzip jeder Wach- und Leuchtturm gemeint. Entsprechend wurde der Pharos von den Arabern el-Manarah genannt und nach ihm nannten sie den Turm einer Moschee, das Minarett, Manarah.[3]

Der Bau des Heptastadions bildete vermutlich die Grundlage für den Aufstieg Alexandrias zur größten Handelsmetropole der hellenistischen Welt. Das Heptastadion wurde von dem Architekten Dexiphanes von Knidos gebaut. Es war ein etwa 1,3 km langer Damm, der die Stadt mit der Insel Pharos verband und auf diese Weise zwei geschützte Häfen entstehen ließ: den westlichen Eunostos-Hafen und den östlichen Großen Hafen, der im Westen nun vom Heptastadion und im Osten von einer Landzunge – Kap Lochias – begrenzt war.

Die Einfahrt in den Großen Hafen war schwierig. Es gab Riffe, die nur erfahrene Seeleute erkennen und umsegeln konnten. Zudem war der Hafen von Alexandria bei schlechter Sicht aus der Ferne kaum auszumachen – es gab keine Landmarken. Dass es öfter zum Schiffbruch gekommen sein musste, beweist alleine die spätere Bezeichnung Piratenhafen, für eine zum offenen Meer hin gelegenen Bucht der Insel Pharos.[4] Es kann zudem vermutet werden, dass Schiffe mit optischen oder akustischen Signalen absichtsvoll auf einen falschen Kurs gebracht wurden, so dass sie, nachdem sie auf Grund gelaufen waren, geplündert werden konnten. Eine Taktik von Insel- und Küstenbewohnern, die weltweit z.T. heute noch praktiziert wird. Der Bau eines Leuchtturms musste also höchste Priorität gehabt haben.

Der Leuchtturm

Ein sich östlich vor der Insel Pharos befindliche Riff war für den Schiffsverkehr bei der Einfahrt in den Großen Hafen eine Gefahr, die man aus Welt schaffte, indem man das Riff einfach als Basis für den Leuchtturm verwendete. Erreicht wurde der Turm trockenen Fußes über eine Brücke, die die Insel mit dem ehemaligen Riff verband. Es ist anzunehmen, dass es aus logistischen Gründen überhaupt erst nach der Fertigstellung des Heptastadions möglich war mit dem Bau des Leuchtturms zu beginnen. Über die Bauzeit des Leuchtturms, sein Aussehen, die Maße und sogar über seinen Architekten können nur Vermutungen angestellt werden. Es gibt zwar einige antike Quellen, in denen der Pharos erwähnt wird. Genauere Daten finden sich aber erst in den Berichten arabischer Reisender und Gelehrter aus dem Mittelalter, stammen also aus einer Zeit als der Leuchtturm schon hunderte von Jahre alt und schon einige Male restauriert war. Eine sehr detaillierte und glaubwürdige Beschreibung lieferte der arabische Gelehrte Jusuf Ibn es-Sheich, der 1165 n. Chr. Alexandria besuchte und sorgfältige Vermessungen des Turms vornahm. Daneben gibt es aus hellenistischer, römischer und frühchristlicher Zeit ikonografische Quellen, die – obwohl die Darstellungen oftmals voneinander abweichen – zur Rekonstruktion des Pharos herangezogen werden können. Es sind vor allem Abbildungen auf Münzen, Sarkophagen, Mosaiken, Bleisiegeln und Terrakotten.

[...]


[1] Zu den Listen s. Kai Brodersen, Die sieben Weltwunder, 1996

[2] S. Alan B. Lloyd, in: The Oxford History of Ancient Egypt, 2003, 399; s.a. Jean-Yves Empereur, Alexandria. Jewel of Egypt, 2002, 36

[3] S. Werner Ekschmitt, Die Sieben Weltwunder, 1996 196

[4] S. die Karte bei Justin Pollard/Howard Reid, The Rise and Fall of Alexandria, 2007, 291

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Details

Titel
Der Pharos von Alexandria. Vom Wegweiser zum Weltwunder
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V262180
ISBN (eBook)
9783656505198
ISBN (Buch)
9783656505709
Dateigröße
1165 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Erstmals publiziert in: Kemet - Die Zeitschrift für Ägyptenfreunde, Geniale Baumeister und ihre Werke, Bd. 2, 2009, Kemet Verlag, Berlin
Schlagworte
Pharos, Leuchtturm, Alexandria, Weltwunder, Ägyptologie, Ägypten, Alexander der Große, Ptolemäer, Architektur, Antike, Schifffahrt, Technik
Arbeit zitieren
M.A. Sabine Neureiter (Autor:in), 2009, Der Pharos von Alexandria. Vom Wegweiser zum Weltwunder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262180

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