Dokument: Werteverstärkende Geschichtsbilder und kollektive Identitäten auf dem westlichen Balkan. Ein Beitrag zur integralen Theorie des politischen Mythos

Titel:Werteverstärkende Geschichtsbilder und kollektive Identitäten auf dem westlichen Balkan. Ein Beitrag zur integralen Theorie des politischen Mythos
Weiterer Titel:Political myths and collective identities in the Western Balkans
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=64006
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20231110-082110-2
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Camić, Elmir [Autor]
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Dateien vom 31.10.2023 / geändert 31.10.2023
Beitragender:Prof. Dr. Tepe, Peter [Betreuer/Doktorvater]
Stichwörter:Politischer Mythos, kollektive Identität, Geschichtsbilder, Umdeutung der Vergangenheit, Personenkult, politische Rituale, politische Symbole, kollektives Gedächtnis, Ideologie, Weltanschauung, Vergangenheitsbewältigung, Nationalismusforschung, Nation, Religion, Bosnien, Herzegowina, Serbien, Kroatien, Jugoslawien, Westbalkan, Bosnische Kirche, Bogumilenthese, Islamisierung Bosniens, Tvrtko, Josip Broz, Tito, Amselfeldschlacht, Kosovo, Sozialkonstruktivismus, historische Sinnbildung
Dewey Dezimal-Klassifikation:100 Philosophie und Psychologie » 120 Epistemologie
300 Sozialwissenschaften, Soziologie » 320 Politik
900 Geschichte und Geografie » 940 Geschichte Europas
Beschreibungen:In der Dissertation wird eine eigenständige Theorie über die Rolle von Geschichtsbildern bei der Entstehung von kollektiven Identitäten aufgestellt und anhand ausgewählter Beispiele aus dem westlichen Balkan geprüft.
Dabei wird die Entstehung kollektiver Identitäten als ein wechselseitiger Prozess im Spannungsfeld zwischen menschlichen Grundbedürfnissen und soziopolitischen Machtkämpfen verstanden. Kollektive Identitäten entstehen und verändern sich als notwendige Begleiterscheinungen der historischen Sinnbildung. Menschen greifen auf die Vergangenheit zurück, um nach Motivationsverstärkern für gegenwärtige politische Ziele zu suchen. Dieser Grundvorgang ist grundsätzlich legitim, kippt aber häufig in weltanschauungskonforme Überhöhungen um, die von Dogmatisierungen und Überlegenheitsgefühlen begleitet ist. Durch ihr symbolisches Kapital versuchen miteinander konkurrierende Eliten, die Deutungs¬hoheit über die Vergangenheit zu erlangen und damit die Gruppenbildungsprozesse im Sinne ihres soziopolitischen Programms zu beeinflussen. Um ein Identitätskonzept auf Dauer zu stellen, werden Geschichtsbilder (oft auch als politische Mythen bezeichnet) in kulturellen Objektivationen institutionalisiert und im kollektiven Funktionsgedächtnis der Bezugs¬gruppe verankert. Massive Institutionalisierungen verschleiern den Konstruktionscharakter von kollektiven Identitäten und verändern das soziale Feld.
In zwei gesonderten historischen Exkursen wird die Theorie zunächst in Teilen zur Untersuchung politischer Rückgriffe auf die Amselfeldschlacht aus dem Jahr 1389 und des Personenkults um Josip Broz Tito im sozialistischen Jugoslawien herangezogen. Das herausgearbeitete theoretische Analysemuster wird dann ausführlich und vergleichend auf geschichtswissenschaftliche Deutungen des bosnischen Mittelalters, insbesondere der damaligen Bosnischen Kirche, aus der Sicht von fünf Nationalbewegungen aus dem 19. Jahrhundert angewendet: dem integral-jugoslawischen, serbisch-nationalen, integral-bosnisch-herzegowinischen, bosniakisch-muslimischen und kroatisch-nationalen Identitätskonzept. Die dabei entstandenen Geschichtsbilder haben sich trotz großer inhaltlicher Unterschiede gleicher Mechanismen bedient und beanspruchten eine bruchlose historische Kontinuität für ihre Bezugsgruppe. Sie alle wiesen zudem klare kognitive Defizite auf, die mit dem weltanschaulichen Rahmen ihrer Autoren in Verbindung gebracht werden können. Am Ende setzten sich diejenigen Identitätskonzepte durch, die sich bei der Verbreitung ihrer Geschichtsbilder auf breite Elitenkoalitionen und mehrere Kapitalsorten stützen konnten.

The PhD thesis puts forward a new theory about the role of historical perceptions in the formation of collective identities and tests it using selected examples from the Western Balkans.
The formation of collective identities is a mutual process between basic human needs and socio-political power struggles. Collective identities arise and change as inevitable side-effects of the construction of historical meaning. People turn to the past to search for motivational enhancers for present political goals. In general, this basic process is legitimate but often turns into exaggerations consistent with ideologies and accompanied by dogmatization and feelings of superiority. Through their symbolic capital, competing elites attempt to gain sovereignty over the interpretation of the past and thus influence the group formation processes in the spirit of their own sociopolitical program. To establish an identity concept in the long term, interpretations of history (often referred to as political myths) are institutionalized in cultural objectifications and anchored in the collective functional memory of the reference group. Massive institutionalization conceals the constructed nature of collective identities and changes the social field.
In two separate historical excursuses, the theory is first used in its parts to examine political utilization of the Battle of Kosovo (1389) and the personality cult surrounding Josip Broz Tito in socialist Yugoslavia. The theory is then applied in detail and comparatively to historical interpretations of the Bosnian Middle Ages, in particular of the then Bosnian Church, from the perspective of five national movements from the 19th century: integral-Yugoslavian, Serb-national, integral-Bosnian-Herzegovinian, Bosniak-Muslim and Croat-national concepts of collective identity. Despite major differences in content, the resulting historical perceptions made use of the same mechanisms and claimed seamless historical continuity for their reference group. They all also exhibited clear cognitive deficits that can be linked to the ideological framework of their authors. In the end, those identity concepts prevailed which were able to rely on broad elite coalitions and diverse types of capital to disseminate their historical interpretations.
Lizenz:Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Philosophische Fakultät » Germanistisches Seminar » Neuere deutsche Literaturwissenschaft (II)
Dokument erstellt am:10.11.2023
Dateien geändert am:10.11.2023
Promotionsantrag am:16.12.2017
Datum der Promotion:26.11.2018
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