Wer sich in den letzten Jahren mit dem autoritären Charakter beschäftigt, begibt sich stets in die etwas paradoxe Gefahr, von einer noch älteren Version dieser Figur überholt zu werden. Was in den anti-autoritären 1970er Jahren durch unhaltbar gewordene Prämissen auf theoretischer Ebene abgebaut, in komplexer gelagerte Machtdiskurse überführt und durch Reformen in den pädagogischen, medialen und politischen Institutionen auf praktischer Ebene überwunden oder zumindest gezähmt zu sein schien, taucht Mitte der 2010er Jahre überraschend ‚originalgetreu‘ wieder auf und scheint sich seitdem in permanenter Annäherung an seinen Ursprung zu aktualisieren. Wie verfährt man also mit dem autoritären Charakter? Der vorliegende Sammelband versucht, diese Frage auf zwei Wegen anzugehen. Zum einen nimmt er die Gefahr in Kauf, in seinen Bestandsaufnahmen von aktuellen Entwicklungen überholt zu werden. Zum anderen begibt er sich selbst an den Ursprung zurück und versucht in den ersten Überlegungen der Frankfurter Schule und den Versuchen, den autoritären Charakter zu erforschen, bisher unbeachtete Stellen zu beleuchten. Allerdings ist auch bei einer solchen Rückkehr klar, dass sie nicht am Ursprung stehen bleiben kann. Es sind dann wiederum diese geschärften bzw. revidierenden Betrachtungen, mit denen etliche AutorInnen die Frage für die Gegenwart erneut stellen.