Probleme des Anlagenbaus in fremden Kulturen


Seminararbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Probleme des Anlagenbaus aus technisch-organisatorischer Sicht
2.1 Probleme der Akquisition
2.2 Probleme in der Angebots- und Vertragserstellung
2.3 Probleme bei der Auftragsabwicklung
2.3.1 Technische Problemfaktoren
2.3.2 Organisatorische Problemfaktoren
2.3.3 Probleme beim Betrieb der Anlage

3. Probleme des Anlagebaus aus sozialorganisatorischer Sicht
3.1 Motivation der Mitarbeiter
3.2 Qualifikation der Mitarbeiter
3.3 Kooperation der Mitarbeiter

4. Konkrete Fallbeispiele
4.1 Rourkela
4.2 Saudi Arabien
4.3 Abschließende Analyse der Fallbeispiele

5. Schlussbemerkungen

6. Literatur

1. Einleitung

Der Anlagenbau in fremden Kulturen gewinnt mit der zunehmenden weltweiten Vernetzung immer mehr an Bedeutung: so gehört es seit den 60er Jahren für eine große Firma schon fast zum guten Ton, zumindest eine Tochterfirma im Ausland zu etablieren. Immer häufiger werden diese Anlagen auch in sogenannten Entwicklungsländern errichtet.

Die Probleme, die dabei entstehen, sind immens. Die verminderte Situationskontrolle, die sich aus der meist großen räumlichen Distanz sowie den verstärkten mittel- bis langfristigen Risiken ergibt, führt zu einer starken Unsicherheit in der Informations- und Risikoeinschätzung, sowie zu einer verminderten Ressourcen- und Effizienzkontrolle (Fürstenberg 1982:179). Der hohen Zweckrationalität im Stammhaus steht meist ein hohes Maß an Improvisation am Einsatzort gegenüber (Fürstenberg 1982:179). Die Ursachen hierfür sind, wie wir sehen werden, vielfältig: sie reichen vom Einfluss äußerer Umweltbedingungen bis hin zu zwischenmenschlichen Querelen.

In den Anfängen des internationalen Anlagenbaus wurde meist ein großer Fehler begangen: man versuchte, die durchaus bewährten westlichen Modelle eins-zu-eins in das jeweilige Entwicklungsland zu übertragen. Sehr schnell jedoch musste man feststellen, dass eine Vermittlung von Know-how nicht durch die Imitation von westlichen Modellen möglich ist (Niebler 1972:142). Als Hauptziel des Technologietransfers konnte nicht länger die „absolute Innovation“ (Havemann 1979:134) fungieren. Die adäquate Anpassung westlicher Technologien an die äußeren und kulturellen Umstände des Entwicklungslandes steht heute im Vordergrund, was eine technologische Umgestaltung der Produkte, sowie Veränderungen bei der Produktselektion und –konstruktion mit sich bringt (Havemann 1979:134).

Die größte Schwäche im internationalen Anlagenbau stellt jedoch der menschliche Kontakt dar, der von westlicher Seite meist durch Überheblichkeit und Voreingenommenheit gegenüber den Einheimischen geprägt ist (Niebler 1972:143). Dies hängt zumeist mit der mangelhaften Schulung der Mitarbeiter im Vorfeld zusammen. Nach Hofstede entstehen die Hauptprobleme im zwischenmenschlichen Kontakt durch divergierende Individualismus- und Kollektivismus-Werte, durch Unterschiede in der Machtdistanz, sowie bei der Maskulinitäts- und Femininitäts-Dimension und der Ungewissheitsvermeidung (Hofstede 2001:310). Die „...reichen Geberländer neigen kulturell gesehen mehr zu Individualismus und die Länder, die Hilfe erhalten, sind eher kollektivistisch geprägt.“ (Hofstede 2001:310). Die Machtdistanz ist tendenziell in westlichen Ländern niedriger als in Entwicklungsländern, und „auch bei den Dimensionen Maskulinität/Femininität und Unsicherheitsvermeidung kann eine Kluft bestehen, aber in diesen Fällen stellt man sie in beiden Richtungen fest.“ (Hofstede 2001:311).

Ziel dieser Arbeit ist es nun, sowohl die rein technisch-organisatorischen, als auch die sozialorganisatorischen Probleme des Anlagenbaus in fremden Kulturen aufzuzeigen, wobei letztere an zwei Fallbeispielen verdeutlicht werden. Abschließend werde ich darauf eingehen, wie die immer noch beträchtlichen Defizite, die vor allem im interkulturellen Kontakt entstehen, verbessert werden könnten.

2. Probleme des Anlagenbaus aus technisch-organisatorischer Sicht

Da sich das Unternehmen bei jedem Geschäft auf die Bedingungen des Marktes und der Kunden, sowie auf neue Randbedingungen einstellen muss, sind sowohl die Akquisition, die Angebotserstellung, die Auftragsabwicklung, die Unterstützung beim Betrieb der Anlage und die Ex-post Analyse des Anlagegeschäftes von diversen Problemen betroffen (Schmitz 1982:37ff).

2.1 Probleme der Akquisition

Trotz einer komplexen Vertriebsorganisation bereitet meist schon das Auffinden von Projekten erhebliche Schwierigkeiten. Besonders in Entwicklungsländern ist der Einsatz von Vertriebsbeauftragen von besonderer Bedeutung, da dort meist noch keine Verkaufsbüros und Fertigungsbetriebe bestehen (Schmitz 1982:42f). Weiterhin sind verschieden Risikobereiche, wie das technische Risiko, das Marktrisiko, das finanzielle Risiko, das Risiko der Kooperation sowie das Entscheidungsrisiko im Vorfeld zu beachten. Letzteres ergibt sich aus dem mangelnden Informationsstand über den Kunden, das Projekt und diverse Randbedingungen (Schmitz 1982:43). Meist besteht eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Technologiebedarf des Kunden und den „angepassten Technologien“: die Hauptaufgabe des Lieferanten ist es hier, sich auf die Kundenmentalität einzustellen, der sehr oft ein starkes Prestigedenken zugrunde liegt. In feinfühligen Verhandlungen sollte der tatsächliche Technologiebedarf des Kunden erörtert und abschließend von ihm akzeptiert werden (Schmitz 1982:44). Auch über die örtlichen Bedingungen sollte man sich im Vorfeld des Anlagenbaus in Kenntnis setzten, um das vom Kunden zur Verfügung gestellte Datenmaterial zu prüfen. In Entwicklungsländern hat sich hier besonders das Einschalten von ortserfahrenen Beratern bewährt (Schmitz 1982:45). Besondere Kundenwünsche müssen ebenfalls schon in der Akquisition beachtet werden: hierzu gehört zum Beispiel die Bereitstellung von Startkapital sowie ein langer Rückzahlungszeitraum. Der Auftraggeber muss bereit sein, ein überschaubares Risiko hinsichtlich der Finanzierung einzugehen (Schmitz 1982:45). Als letzter Punkt auch noch der Lieferausschluss von Consultants zu nennen. Vor allem im arabischen Raum wird eine Lieferung häufig ausgeschlossen, wenn vom Lieferinteressenten bereits eine Beratungsleistung erbracht wurde. Somit soll verhindert werden, dass der Lieferant seine Fabrikanlage so baut, dass nur er die entsprechenden Maschinen liefern kann (Schmitz 1982:46).

2.2 Probleme in der Angebots- und Vertragserstellung

Das größte Problem stellt hier meist die Suche nach geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen der Angebotserstellung dar. Häufig ist der Kunde im Entwicklungsland finanziell nicht in der Lage, die Leistungen zu übernehmen, weshalb die Anlage vom Lieferanten meist vorfinanziert werden muss. Wichtig hierbei ist es, Garantien vom Kunden zu erhalten (Schmitz 1982:48). Oft entstehen auch Probleme bei der Vertragserstellung, da der Kunde verständlicherweise das Recht seines Landes anwenden will. Um negative Folgen für den Lieferanten zu vermeiden, ist dessen Unterstützung durch erfahrene Anwälte nötig (Schmitz 1982:48). Prinzipiell lässt sich sagen, dass sowohl das Angebot als auch der Vertrag eindeutig abgefasst sein müssen. Hier haben sich mehrsprachige Fassungen bewährt, um Fehlinterpretationen durch ungenaue Übersetzungen vermeiden (Schmitz 1982:48).

2.3 Probleme bei der Auftragsabwicklung

Hier lassen sich technische von organisatorischen Problemfaktoren unterscheiden, auf die es nun im Einzelnen genauer einzugehen gilt.

2.3.1 Technische Problemfaktoren

Zu diesem Bereich zählen unabwendbare äußere Faktoren, wie zum Beispiel der Einfluss von Umweltbedingungen, von landestypischen Verfahrensweisen sowie von sozio-kulturellen Bedingungen.

Umweltfaktoren müssen vor dem Bau der Anlage einer strengen Prüfung unterzogen werden. So ist der Einfluss des Klimas von nicht zu verachtender Bedeutung. Aufgrund der meist hohen Temperaturen im Entwicklungsland muss die Luft durch größere Wärmetauscher gekühlt werden. Temperaturunterschiede sind weiterhin auch in Bezug auf Wärmedehnung von Schienen, Gebäuden und Kabeln zu beachten. Die hohe Luftfeuchtigkeit führt oft zu Verpackungsproblemen, zu erschwerter Lagerhaltung sowie zu Schimmelbildung und Korrosion. Auch die zersetzende Wirkung von Strahlung auf bestimmte Kunststoffe und Gummi muss im Vorfeld beachtet werden. Weiterhin müssen die Windintensitäten bezüglich des mitgeführten Sandes und der damit verbundenen Gefahr für die Maschinen dokumentiert werden. In Meeresnähe besteht außerdem eine verstärkte Korrosionsgefahr aufgrund des vom Wind mitgeführten Salzwassers. Augrund der häufig vorherrschenden Trockenheit ist auch das Problem des Wassermangels in der Planung der Anlage zu berücksichtigen. Die Umstellung von Wasser- auf Luftkühlung bereitet oft große Konstruktions- und Betriebsprobleme. Im Betrieb selbst muss außerdem die Verfügbarkeit von Trinkwasser gewährt sein. Ebenfalls ungewohnt sind wohl die vermehrten Wald- und Steppenbrände, die auf das trockene Klima zurückzuführen sind. Deshalb darf auch die Entzündungsgefahr von diversen Betriebsbauten und Lagern nicht außer Acht gelassen werden. Transporte sollten möglichst so geplant werden, dass sie nicht in die Regenzeit fallen, da sonst viele Straßen unbefahrbar sind. Beim Transport von Gütern auf sandigen Straßen ist darauf zu achten, dass die Maschinen vor aufwirbelndem Staub geschützt sind. Aufgrund der hohen Temperaturen müssen die Betriebsgebäude mit Lüftungen und Klimaanlagen ausgestattet sein (Havemann 1979:147f).

Weiterhin ist auch die Erdbebengefahr zu eruieren, da diese Auswirkungen auf die Bauart des Fundamentes hat. Auch der Wechsel des Wasserspiegels bei Hafenbauten, sowie der Sandgehalt von Flusswasser sind zu beachten (Havemann 1979:148).

Beim Bau der Anlage, sowie in der Produktion sollten vor allem natürliche und regional verfügbare Rohstoffe verwendet werden. Ist jedoch zum Beispiel nur normaler Stahl erhältlich, müsste man über den Import von beständigeren Legierungen nachdenken (Havemann 1979:148).

Die Energieversorgung muss auf ihre Verlässlichkeit geprüft, und häufige Spannungsschwankungen und Stromausfälle einkalkuliert werden. Es ist ratsam, eine unabhängige Energiezentrale beim Bau der Anlage einzuplanen (Havemann 1979:148).

Hinsichtlich der Normung und der Konstruktion muss das fremde Normsystem beachtet werden. Außerdem müssen die Maschinen an die ausländischen Spannungs- und Frequenzwerte der Stromversorgung angepasst werden. Die Maschinen müssen im Allgemeinen so konstruiert sein, dass sie leicht zu bedienen und zu reparieren sind. Auch die Wartung darf nicht zu kompliziert sein. Die Bedienungsanweisungen müssen in der Landessprache verfasst, und mit Illustrationen versehen sein (Analphabeten!) (Havemann 1979:149).

Hinsichtlich des Absatzes und des Verbrauchs müssen diverse sozio-kulturelle Gebote des Entwicklungslandes berücksichtigt werden: so darf in der Kantine in einem muslimischen Land kein Schweinefleisch angeboten werden. Auch die Werbung und die Farbgestaltung des Produktes müssen auf den indigenen Geschmack abgestimmt werden. Was das Personalwesen betrifft, muss auf bestehende Animositäten von Gruppen, sowie die Häufung von Feiertagen geachtet werden, die durch die Zusammensetzung der Belegschaft aus verschiedenen Religionsgemeinschaften entstehen. Dies führt zu einer Beeinflussung der Arbeitsintensität, sowie zu psychologischen Konsequenzen (Havemann 1979:149).

Vor allem in den Tropen muss aus gesundheitlichen Gründen mit einem allgemein niedrigen Leistungsniveau der indigenen Arbeiter gerechnet werden. Dies sollte bei der Kalkulation von Arbeitszeiten und Löhnen beachtet werden. Aufgrund häufiger Personalausfälle müssen Mitarbeiter angelernt werden, die im Bedarfsfall schnell einspringen können (Havemann 1979:150).

Dies sind nur einige der technischen Probleme, die beim Anlagenbau auftreten können, und deshalb schon in die frühe Planungsphase miteinbezogen werden müssen.

2.3.2 Organisatorische Problemfaktoren

Ebenso bedeutsam sind die organisatorischen Probleme. Diese reichen von der internen Projektorganisation bis zu einem Team, das alle am Anlagenbau beteiligten Stellen des Lieferanten und des Kunden miteinander verbindet. Um einen konstanten Informationsfluss sowohl innerhalb des expandierenden Unternehmens, als auch zwischen den Vertragspartnern zu gewährleisten, sind regelmäßige Auftragsbesprechungen notwendig, in denen über den aktuellen Stand des Bauprojektes, über einzuhaltende Termine und die laufenden Kosten gesprochen wird (Schmitz 1982:51ff).

Ein weiterer Problembereich bezieht sich auf eventuelle Nachforderungen oder Änderungswünsche des Kunden. Hierbei muss jeweils situationsbedingt und flexibel entschieden werden (Schmitz 1982:58).

Um einen kostengünstigen und schnellen Transport zur Baustelle zu gewährleisten, ist eine gründliche Transportanalyse und –organisation nötig. Auch hier ist ein ortskundiger und –erfahrener Berater hilfreich (Schmitz 1982:61).

Das Selbe gilt für die Überwachung des „local manufacturing“. Da im Entwicklungsland häufig Fertigungsleistungen zugekauft werden müssen, sollte die Aufgabe des Lieferanten in der Überwachung und der Koordination dieser Fertigung bestehen. Hier kommt es häufig zu Personalproblemen, da der überwachende Mitarbeiter zum einen Erfahrung im Fertigungsbereich besitzen, zum anderen auch die Bereitschaft, für einen längeren Auslandsaufenthalt mitbringen muss (Schmitz 1982:61).

Eine weitere organisatorische Herausforderung stellt die Einrichtung der Baustelle dar. Die Unterkünfte der Arbeiter werden im Zuge eines Anlagenprojektes meist komplett neu errichtet. Häufig sind die Arbeiter in Camps oder Siedlungen untergebracht, die mit einer vollständigen Infrastruktur, wie zum Beispiel Kirchen, Schulen und Ärzten ausgestattet sind (Schmitz 1982:62f). Zum Leben in diesen Camps später mehr.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Probleme des Anlagenbaus in fremden Kulturen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Interkulturelle Kommunikation)
Veranstaltung
Entwicklungshilfe, Know-how-Transfer und Technikexport in fremde Kulturen
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V122417
ISBN (eBook)
9783640276509
ISBN (Buch)
9783640282449
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklungshilfe, Know-how Transfer, Technikexport, Export, Kulturen, Rourkela
Arbeit zitieren
Alexandra Mörz (Autor:in), 2004, Probleme des Anlagenbaus in fremden Kulturen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122417

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