Speisetabus im Ituri-Wald


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

24 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ethnographie
2.1. Die Efé
2.1.1. Gesellschaft
2.1.2. Religion
2.1.3. Wirtschaft
2.2 Die Lese
2.2.1. Gesellschaft
2.2.2. Religion
2.2.3. Wirtschaft
2.3. Verbindungen zwischen Efé und Lese

3. Tabus
3.1 Arten von Tabus nach R. Augner
Tabus auf Familienbasis
Allgemeine Tabus
Krankheitstabu
Baraza/ 1mbara Tabus
Jungtiertabus
Geburtstabus
Eke-Tabus
Elterliche Tabus
Kinderkrankheitstabu
Sexuelle Attraktivitätstabus
Ehetabus
Zeremonielle Tabus
Ansichtmeidungen
Persönliche Ansichten
Unsicherheitsvermeidungen
3.2. Weitergabe von Tabus
3.3. Biologische Funktionen
3.4. soziale und kosmologische Funktion
3.5. Einfluss der Schule
3.6. Einfluss des Christentum

4. Zusammenfassung

5. Literatur

1. Einleitung

Die Ernährung ist eine der wichtigsten Bestandteile im Leben, denn ohne zu Essen kann keiner überleben. Speisen können tierischer, pflanzlicher und mineralischer Art sein (Nippa 2000: 172). Sie hängen vom Angebot der Natur ab und sind dem jahreszeitlichen Wechsel unterworfen. Erst durch das Lernen verschiedener Konservierungstechniken ist der Mensch etwas unabhängiger von den Jahreszeiten geworden. Jedoch isst nicht jede Gesellschaft alles essbare aus ihrer Umwelt, sondern immer nur bestimmte Nahrungsmittel. Die Selektion der Nahrung ist immer an soziale und religiöse Aspekte gebunden. So lässt sich feststellen, dass

Jägergesellschaften als Hauptnahrungsmittel Fleisch bevorzugen, während Pflanzer die Früchte ihres Anbaues vorziehen. Dennoch beschränken sich die einzelnen Gesellschaften nicht nur auf die Nahrung aus ihren Haupttätigkeiten;' Jäger sammeln nebenbei meist noch Früchte und Pflanzer ernähren sich auch von ihren domestizierten Tieren. Seit dem Ende des 19. Jahrhundert beschäftig sich auch die Ethnologie mit der Ernährung, vor allem vor dem Hintergrund von Tabus, des Totemismus, des Opfers und der Tischgemeinschaft (Nippa 2000: 174). So betont W. Robertson Smith den gemeinschaftlichen Charakter des Essens, im Gegensatz zu Crawley, der der Ernährung eine individuelle Gesinnung zu spricht (Nippa 2000: 174). Für Smith ist das gemeinsame Mahl ein Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und der Verbindung der Gruppenmitglieder untereinander. Somit dient die Nahrungsaufnahme nicht nur dem Überleben, sie zeigt auch die sozialen und religiösen Beziehungen der Person auf. Um diese Beziehungen zum Ausdruck zu bringen gibt es drei Zustände von Nahrung, den rohen, gekochten und verfaulten, die Le'vy-Strauss in einem "kulinarischem Dreieck" zusammen fasste (Nippa 2000: 175). Die Umwandlung der rohen Speisen, die den Urzustand darstellen, machen die Verbindungen von Leben und Tod, Himmel und Erde, Natur und Gesellschaft, Innen und Außen deutlich (Nippa 2000: 17 5). Die Zubereitung und Art der Nahrung zeigt nicht nur die Verbindungen einer Gesellschaft nach außen auf. Sie kann auch die unterschiedlichen sozialen Stellungen einzelner Personen innerhalb einer Gruppe verdeutlichen. So werden durch verschiedene Speisen und

Tischsitten Klassenunterschiede deutlich, die es nach Goody erst in den

archaischen Hochkulturen auftauchten, eine differenzierte Küche gibt es in traditionellen afrikanischen Gesellschaften somit nicht (Nippa 2000: 175).Um die unterschiedlichen Stellungen von Personen, sowohl sozial als auch religiös aufzuzeigen, gibt es in jeder Gesellschaft Speisegebote und -verbote. So ist es möglich, dass für bestimmte Personen, für bestimmte Zeit oder lebenslang, einige Nahrungsmittel tabuisiert sind.

Der Bergriff des Tabus brachte James Cook aus Tonga im Ende des 18.

Jahrhunderts mit nach Europa (Böhmer-Bauer 1990: 9). Cook übersetzte den Begriff mit "verboten". Tabus können für einzelne Personen oder ganze Gruppen gelten, sich auf einen bestimmten Zeitabschnitt beziehen oder ein Leben lang anhalte und sie können weitergegeben werden. Nicht nur Personen, sondern auch Objekte können tabuisiert sein, sie gelten dann als gefährlich und mit besonderen Kräften, die sowohl negativ als auch positiv sein können, beladen. Das Tabu dient vor allem dazu, eine soziale oder religiöse Ordnung aufrecht zu halte und die Phänomene zu bezeichnen, die für die jeweilige Kultur gefährlich sein können (Schmidt 2000: 254). Durch Berührung kann sich das Tabu auf andere Personen übertragen, die dann auch als tabuisiert gilt. Wird ein Tabu gebrochen, kann es durch verschiedene rituelle Handlungen aufgehoben und der Zustand der Normalität wieder hergestellt werden (Schmidt 2000:254). Geschieht dies nicht, folgen für den Tabubrecher gesellschaftliche Sanktionen, die bis zum Ausschluss aus der Gemeinschaft führen können. Mit der Zeit erweiterte sich der Begriff des Tabus durch Übersetzungen wie "heilig" und "unrein". Er wurde somit sehr unspezifisch und bezeichnet in der heutigen europäischen Umgangsprache alle Arten von Einschränkungen (Böhmer-Bauer 1990: 10).

Tabus in der Ernährung beziehen sich auf das Verbot, bestimmte Tier oder Pflanzen oder bestimmte Teile von bei den zu verzehren. Diese Tabus dienen auch dazu die verschiedenen sozialen und religiösen Beziehungen einer Person oder Gruppe aufzuzeigen und werden bei einem Tabubruch sanktioniert. Eine Vielzahl von Speisetabus gibt es im Ituriwald bei dem Lese und Efe. Diese haben nicht nur Auswirkungen auf das Netzwerk der Beziehungen, sondern auch auf die physische Verfassung der Personen.

2. Ethnographie

Der Regenwald von Zentralafrika erstreckt weit über den Kontinent. Seine Grenzen verlaufen "im Norden entlang Mbam und Sanaga, dann vom Dume in östlicher Richtung zum Ubangi-Knie; im Süden umschreiben sie, vom Stanley-Pool ausgehend bis zum Mambili weit im Norden, und nach Süden zurück bis zum oberen Ogowe und mittleren Niari, einen riesigen Bogen, der die Baumsavannen und Parkwälder des Kuyu-Alami-Landes und das Teke-Hochland umfasst." (Born 1975: 690) Der immergrüne, tropische Regenwald schien anfangs ein unüberwindbares Hindernis für die Ansiedlung von Menschen zu sein, doch konnte durch archäologische Funde eine Niederlassung von Menschen bis in die Steinzeit nachgewiesen werden (Born 1975: 688). Heute findet man eine dünne Besiedlung des Gebietes, die sich aus zwei großen Gruppen zusammen setzt. Auf der einen Seite, die nomadisch lebenden Pygmäen, die sich vorwiegend vom Jagen und Sammeln ernähren und die sesshaften Ackerbaugesellschaften, die sich am Rande des Waldes niederließen.

Das Gebiet des Ituri liegt in der Republik Kongo, hier leben vor allem die Efé und die Lese.

2.1. Die Efé

2.1.1. Gesellschaft

Die Efé leben in kleinen Gruppen bis zu 40 Personen in mobilen Camps. Ihre Hütten aus biegsamen Ästen und Phryniumblattwerk stehen in einem Kreis um einen Platz. Eine Gruppe setzt sich aus nicht mehr als 12 Familien zusammen (Schebesta 1975: 780). Jedoch steht nicht der Wille der einzelnen Familien im Vordergrund sondern das Wohl der Gemeinschaft, dessen Interessen von einem Rat der Ältesten vertreten werden. Die Mitglieder des Rates müssen kein bestimmtes Alter haben, auch ist die Zahl der Mitglieder nicht festgelegt (Gusinde 1942: 286). Da es kein bestimmtes Wahlverfahren gibt, tritt nach dem Tod eines Mitgliedes das nächste an seine Stelle. Die

Funktion des Rates besteht darin, Streitigkeiten zwischen den einzelnen Familien oder mit einer anderen Gruppe zu schlichten. Innerhalb der Familien gibt es keine Abstufungen, sie sind alle gleichwertige Mitglieder der Gruppe (Gusinde 1942: 280). Die Familien der Efé sind patriliniear organisiert, auch wenn sich das weniger in den Regel der Deszendenz als vielmehr im Erbrecht erkennen lässt (Born 1975: 711). Die Hütten gehören den Frauen, die Wohnfolge ist jedoch patrilokal. Die Eheschließung ist exogam. Es findet ein direkter Frauentausch zwischen zwei verschiedenen Gruppen statt. Der Austausch ist insofern bindend, das bei einer Scheidung auch die Tauschfrau wieder in ihre Familie zurückkehrt (Schebesta'1975: 782). Die Frauen werden aber nie ganz von ihrer Familie getrennt, sie legt weiterhin schützend ihre Hand über sie. Seitdem es den Kontakt zu den Lese gibt, ist auch die Heirat einer Efé-Frau mit einem Lese-Mann möglich, jedoch nicht umgekehrt. Bei dieser Art der Heirat wird die Frau ganz aus ihrer Gemeinschaft genommen und bei den Lese integriert. Auch wenn es zum Frauentausch und Güteraustausch zwischen den verschiedenen Efé-

Gemeinschaften und mit den Lese kommt, ist die einzelne Gemeinschaft auf sich bedacht und versuch, so weit es geht friedlich mit den anderen auszukommen (Gusinde 1942: 278). Bei ihrer Sprache haben sie sich beide Nachbarn angepasst, die Efé sprechen mittlerweile eine Art von Bantu- oder Sudanicsprachen, haben aber auch ihre eigene Pygmäensprache nicht ganz aufgegeben.

2.1.2. Religion

Bei den Efé gibt es keine organisierte Priesterschaft oder einzelne Personen, die ausschließlich für religiöse Handlungen zuständig sind. Genauso wenig gibt es religiöse Stätten für Opferungen, geopfert wird an einem geeigneten Platz im Lager (Gusinde 1942: 313). Die oberster Gottheit bildet ein Waldgott, der Herrscher über die Menschen, die Tiere und den Wald ist, er hat alles erschaffen und ist für das Schicksal der Menschen verantwortlich. Dieser Gott ist weder sichtbar noch greifbar, er tritt nur durch seine Taten in Erscheinung (Schebesta 1975: 783). Die Efé sehen sich als Kinder des Waldes und somit auch als die Kinder des Herrschers des Waldes. Als seine

Gesandten zählen weiter Naturgeister, die Personifikationen von Naturkräften darstellen und die Ahnen der einzelnen Gruppen (Gusinde 1942: 311). Geopfert wird dem Waldgott vor einer Jagd für deren Erfolg, oder wenn diese erfolglos bleibt. Auch fällt ihm immer ein Stück der erlegten Beute zu, dies geschieht ohne große Zeremonien, so dass man es fast übersehen könnte (Schebesta 1975: 783). Die Ahnenverehrung ist mehr eine Sache jeder Familie, als ein Akt der Gruppe, deshalb nimmt sie in der Religion der Efé auch keine große Rolle ein. So widmet sich der Mann seinen Ahnen väterlicher, Seite und die Frau sich ihrer mütterlicherseits (Born 1975: 713). Bei dem Tod eines Gruppenmitgliedes folgt nach einer mehrtägigen Trauer die Beerdigung innerhalb der eigenen Hütte. Dem Toten werden hier keinen weiteren Beigaben mitgegeben, auch wenn die Vorstellung an ein Weiterleben der Seelen nach dem Tod existiert (Gusinde 1942: 333). Vereinzelt tritt der Glaube an Hexerei und Zauberei auf, dieser wurde jedoch von den Ackerbauern, mit denen ein reger Kontakt besteht, übernommen. Trotz der Übernahme von einzelnen Aspekten der religiösen

Vorstellungen der Bauern habe die Efé ihre eigenen Ansichten behalten und ihre Religion nicht grundlegend geändert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Speisetabus im Ituri-Wald
Hochschule
Universität Münster
Note
2,1
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V127886
ISBN (eBook)
9783640343348
ISBN (Buch)
9783640343768
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Afrika Ituri Tabus Essen Religion Ethnologie
Arbeit zitieren
Kristin Müller-Wenzel (Autor:in), 2005, Speisetabus im Ituri-Wald, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127886

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