Reinle, Christine

Bauernfehden

Nach der herrschenden Meinung galt das Recht auf Fehdeführung, d. h. auf gewaltsame rechtliche Selbsthilfe, als ein exklusives Herrenrecht, das überdies zu Lasten der herrschaftsunterworfenen Bevölkerung eingesetzt worden sei; lediglich die Befugnis zur Totschlagsfehde (Blutrache) habe jedermann zugestanden. Demgegenüber kann für die bayerischen Herzogtümer dank der Landfrieden, der Landgebote und vor allem dank der Rechnungsüberlieferung des Herzogtums Bayern-Landshut gezeigt werden, daß auch Bürger und Bauern in großem Umfang Fehden führten, die denen des Adels nicht nur in ihrer Erscheinungsform glichen, sondern auch funktional äquivalent waren. Der Prozeß der Kriminalisierung ehedem gewohnheitsrechtlich verankerter „privater" Gewalt setzte im Fall der Fehden Nichtadliger lediglich früher ein als bei den Adelsfehden. Fehdefälle aus allen Teilen des römisch-deutschen Reichs bestätigen den anhand bayerischer Quellen erzielten Befund. Der Einsatz von Gewalt war demnach ein Strukturelement der mittelalterlichen Gesellschaft; alle gesellschaftlichen Gruppen trugen zur Produktion von Gewalt bei. Akzeptiert man dies, können aber auch Handlungsoptionen und Widerstandspotential der herrschaftsunterworfenen Bevölkerung aufgezeigt werden, so daß ihr ein Platz in der Geschichte jenseits der konventionellen „Opferrolle" zugewiesen werden darf.