Die
Ethnologin Gertrud Hüwelmeier hat es sich zur Aufgabe gemacht, den
„Lebenswelten katholischer Ordensfrauen“ bzw. Schwestern auf die Spur
zu kommen. Mit dieser Forschungsfrage reiht sich die Untersuchung in
einen engen Zusammenhang mit dem gegenwärtig „neu erwachten Interesse
am Thema ‚Religion’ in den Sozial- und Kulturwissenschaften“ (11) ein,
bei dem allerdings im Hinblick auf religiöse Gemeinschaften historische
Arbeiten überwiegen. Vor diesem Hintergrund eröffnet die Autorin mit
einer ethnographischen Studie der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ als
einer weiblichen Kongregation den Blick auf ein Forschungsfeld, das –
abgesehen von der Ordensgeschichtsschreibung – bislang nur eine geringe
Aufmerksamkeit erfahren hat.
Hüwelmeier legt eine materialreiche Studie vor, bei der die
Entwicklungsgeschichte der Gemeinschaft rekonstruiert und mit der Sicht
der Akteurinnen sowie einer soziologischen Betrachtungsweise
institutioneller Ordnungen und religiöser Rituale verknüpft wird. Diese
Perspektivenvielfalt ist äußerst begrüßenswert, da sie es ermöglicht,
den Gegenstand aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Ein
wesentliches Manko liegt jedoch darin, dass die einzelnen Teile der
Untersuchung nur unzureichend aufeinander bezogen werden, so dass sich
dem Leser zwar aufschlussreiche Zugänge eröffnen, diese aber mehr oder
minder isoliert für sich stehen bleiben. Von daher lässt sich am Ende
kaum ein umfassendes Deutungsmuster ausmachen, welches das Phänomen
einer weiblichen religiösen Genossenschaft tatsächlich aufschließt.
Zudem lässt die Durchführung der Studie an einigen Stellen eine
begriffliche Genauigkeit vermissen. Dieses Problem zeigt sich bereits
beim Titel, indem die Metapher „Närrinnen Gottes“ einerseits die
Dimension der Hingabe an eine religiöse Vision im Sinne von „vernarrt
sein“ beinhaltet, während zum anderen die gesellschaftliche
Randstellung von Schwestern hervorgehoben wird, die mit ihrer
Lebensform – zumindest nach den Maßstäben der säkularisierten Welt – im
gewissen Sinne für „verrückt“ gelten. Eine solche Bezeichnung geht aber
an der Realität dieser Frauen vorbei, zumal man insbesondere von einer
ethnographischen Untersuchung erwartet, aus der Sicht der Subjekte zu
argumentieren, die sich als Schwestern ja gerade mit dem Auftrag
identifizieren, das kontemplative Element mit einem tätigen Engagement
in der caritativen Arbeit zu verbinden und inmitten der Welt zu wirken.
Diese fehlende sprachliche Präzision setzt sich fort, indem die Autorin
den Begriff der „Ordensfrauen“ für eine weibliche Kongregation
verwendet. Diesem Sprachgebrauch ist zwar alltagssprachlich kaum etwas
entgegenzuhalten, gelten doch religiöse Genossenschaften landläufig als
Orden. Wissenschaftlich gesehen ist dieser Terminus jedoch
unzutreffend, da die Mitglieder von Kongregationen, die im Unterschied
zu den Ordensgemeinschaften keine feierlichen, sondern nur einfache
Gelübde ablegen, kirchenrechtlich und theologisch als Schwestern
bezeichnet werden.
In der Einleitung ihres Buches greift Hüwelmeier Phänomene des sozialen
Wandels auf, durch die sich Kongregationen gegenwärtig dazu
herausgefordert sehen, sowohl ihre Organisationsstruktur als auch ihr
Selbstverständnis als Schwesternschaft zu überdenken. Wie diese
Veränderungen, zu denen ein stark rückläufiger Nachwuchs sowie der mit
dem II. Vatikanischen Konzil eingeleitete Demokratisierungsprozess
gehören, von den Mitgliedern erfahren werden und welche neuen Formen
des Gemeinschaftslebens sie „in einer sich transformierenden Welt“
entwickeln, dem will die Autorin mit ihrer Untersuchung „nachspüren“
(11). Es ist ihr außerdem ein Anliegen, die „Herstellung und
Aufrechterhaltung ‚patriarchaler’ Autoritätsstrukturen in einem
ausschließlich von Frauen gestalteten Raum“ (13) zu untersuchen. Ihrer
Studie legt sie einen – leider nur sehr vage beschriebenen –
Religionsbegriff zugrunde, bei dem auf eine universale Definition von
Religion zugunsten einer historischen Analyse verzichtet wird und
stattdessen die „sozialen Bedingungen von partikularen Diskursen und
Praktiken“ (13) in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken.
Das erste Kapitel setzt sich mit der sozialen Ordnung der
Gemeinschaft auseinander, indem der Leser durch die einzelnen Räume des
Klosters geführt wird und einen Einblick erhält, wie durch deren
Anordnung und Nutzung eine Struktur entsteht, „in der Hierarchien und
Rituale einen festen Bestandteil des Alltagslebens bilden“ (22). Daran
schließt sich die Entstehungsgeschichte der Gemeinschaft an, die
Hüwelmeier im Kontext des „weiblichen Ordensfrühlings“ im 19.
Jahrhundert rekonstruiert. Dieses Phänomen, so die These der Autorin,
lasse sich jedoch nicht nur auf die religiöse Erneuerungsbewegung
dieser Epoche zurückführen, sondern müsse auch als „Antwort auf
politische Transformationen (Nationalstaatenbildung) sowie auf
Säkularisierungs- und Industrialisierungsprozesse“ (33) verstanden
werden, durch die bestehende Lebenswelten in eine Krise geraten seien.
Der besondere Reiz dieses Kapitels liegt vor allem darin, dass die
Gründung der Armen Dienstmägde vor dem Hintergrund der
sozioökonomischen Bedingungen einer spezifischen Region aufgezeigt
wird, deren Bevölkerung unter ärmlichsten Verhältnissen lebte. Es ist
schade, dass auf diesen interessanten Zusammenhang im weiteren Verlauf
der Studie nicht mehr zurückgegriffen wird.
Der zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die
Schwestern das „Charisma der Gemeinschaft“ (44) als Ausdruck einer
institutionenspezifischen Spiritualität aneignen. Dem Leben und Werk
der Gründerin, Katharina Kasper, kommt dabei eine besondere Bedeutung
zu, da sich in ihrer Person das Selbstverständnis und der religiöse
Auftrag der Gemeinschaft verdichten. Genauer gesagt geht Hüwelmeier dem
Engagement der Schwestern nach, eine neue Sicht auf die Stifterin zu
entwerfen, die das in den älteren Hagiographien vermittelte Bild von
der „demütigen, einfachen Tagelöhnerin aus dem Westerwald“ (55)
korrigiert. Auf diesem Wege rückt das Lebensmodell einer Frau in den
Mittelpunkt, die – getragen von einer tiefen Gläubigkeit – eine
religiöse weibliche Vergemeinschaftung initiierte, und der es gelang,
sich mit ihren Vorstellungen von christlicher Nachfolge innerhalb der
Amtskirche zu behaupten. Um diesen veränderten Blickwinkel auf
Katharina Kasper zu verdeutlichen, zeichnet Hüwelmeier zum einen ein
von den Schwestern aufgeführtes Mysterienspiel, zum anderen den Prozess
der Seligsprechung nach, in dem das Charisma und die außergewöhnlichen
Fähigkeiten der Gründerin ausreichend belegt werden mussten. Zur
Rekonstruktion dieses Verfahrens zieht die Autorin unterschiedliche
Dokumente heran: Ordenschroniken, Briefe, in denen der einstige
Superior Vorwürfe gegen Katharina Kasper erhebt, sowie den Bericht
einer von Rom beauftragten Schwester, die darin alle erhobenen Anklagen
gegen die Stifterin widerlegen konnte. Auch wenn die dargestellten
Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Superior und Katharina Kasper
durchaus nachvollziehbar beschrieben werden, erscheint jedoch eine
Interpretation, die diese Kontroverse primär als „Geschlechter- und
Machtkonflikt zwischen der Ordensgründerin und ihrem männlichen
Vorgesetzen“ (58) verstanden wissen will, als reichlich verkürzt. Denn
anstatt die Hintergründe der bestehenden Unstimmigkeiten in ihrer
Mehrdimensionalität ausreichend geltend zu machen, werden lediglich
geschlechtsspezifische Klischees bedient. Darüber hinaus trifft die
unter Berufung auf Max Weber vorgenommene Klassifizierung Katharina
Kaspers als „Prophetin“ (70) kaum zu, da die Ordensgründerin, die
soziologisch gesehen als Charismatikerin einzuordnen ist, weder im
Weberschen Sinne eine neue religiöse Lehre noch einen göttlichen Befehl
verkündet.
Die Biographien der Mitglieder, ihre Motive für den Eintritt sowie ihre
Erfahrungen in und mit der Gemeinschaft stehen im Mittelpunkt des
dritten Kapitels, mit dem die Autorin den Fokus auf unterschiedliche,
generationenabhängige „Kulturen“ (16) innerhalb der Gemeinschaft lenkt.
Als Materialbasis dafür dienen ihr lebensgeschichtliche Interviews mit
Schwestern aus drei verschiedenen Generationen, die sie während ihrer
Forschungsaufenthalte im Kloster erhoben hat. Verwunderlich ist
allerdings, dass sie diese Befragungen, die sich an einem Leitfaden
orientieren, den sie im Vorfeld bereits mit den Frauen abgesprochen
hat, als „narrative Interviews“ verstanden wissen will. Bei deren
Auswertung verzichtet sie bewusst auf eine Analyse des Datenmaterials
und arbeitet stattdessen „Portraits“ (95) heraus, indem sie anhand
ausgewählter Interviewpassagen entsprechende Lebensgeschichten
zusammenstellt. Ihre spezifische Vorgehensweise begründet Hüwelmeier
mit der Intention, den Stimmen der Gesprächspartnerinnen
größtmöglichsten Raum zu geben, um die Authentizität der
„Selbstbiographisierungen“ (95) zu unterstützen. Dieser Anspruch kann
jedoch nicht eingelöst werden, da es sich bei den Interviews eben um
keine spontanen Erzählungen handelt, sondern um Texte, die durch das in
den Leitfragen dokumentierte Forschungsinteresse mitkonstruiert werden.
Die dargestellten sechs Portraits, die Auskunft über Herkunftsmilieu,
Sozialisation, Eintritt in die Gemeinschaft, berufliche Entwicklung
sowie Krisen und Entwicklungsprozesse der Mitglieder geben, vermitteln
jedoch keinen Einblick in deren subjektive Theorien, so dass Hüwelmeier
auch in dieser Hinsicht hinter dem von ihr formulieren Anspruch
zurückbleibt, „Vorstellungen und Deutungsmuster (der)
Gesprächspartnerinnen“ (93) herauszuarbeiten. Vielmehr beschränkt sie
sich darauf, die Aussagen der Interviewpartnerinnen nachzuerzählen.
Auch wenn diese Beschreibungen einen plastischen Eindruck von der
Lebenswelt einzelner Schwestern vermitteln, so bleibt der Leser dennoch
stellenweise ratlos zurück, da ihm weder Interpretationen noch
Bündelungen generationenspezifischer Themenfeldern angeboten werden,
die die Sinnstrukturen der Subjekte offen legen und damit die Bedeutung
des Ordenslebens für das Selbstverständnis und die soziale Praxis der
Schwestern erschließen.
Anhand zentraler Dimensionen klösterlicher Lebenspraxis zeichnet
das vierte Kapitel die institutionellen Erneuerungsprozesse der
vergangenen Jahrzehnte nach, die eine „Humanisierung und
Personalisierung des Ordenslebens“ (163) bewirkt hätten. Als
problematisch erweist sich dabei zum einen, dass heterogene Elemente
wie die Identifikation mit dem Ordensnamen mit einzelnen Praktiken wie
der Ordentracht oder „Techniken der Disziplinierung“ (197) begrifflich
unter dem Dach der „Ordenskultur“ (163) zusammengefasst werden. Zum
anderen verzichtet die Autorin darauf, die einzelnen Phänomene, die
jeweils in Unterkapiteln behandelt werden, aufeinander zu beziehen und
deren Untersuchungsergebnisse systematisch zu bündeln. Aber auch
ansonsten lässt sich eine Systematisierung nicht immer auf Anhieb
erkennen, was die Lektüre im gesamten Kapitel zu den
Transformationsprozessen mühsam macht. Am deutlichsten spiegeln sich
die Umbrüche innerhalb der Gemeinschaft für Hüwelmeier in einer neuen
Regelung der Kleiderordnung wider, die es seit den 1990er Jahren
ermöglicht, auch Zivilkleidung zu tragen. Darin dokumentiere sich ein
politischer Wandel, bei dem Hierarchien abgebaut und zugleich die
Forderung an die Schwestern gerichtet würde, „mehr Verantwortung für
sich selbst und die Gemeinschaft zu übernehmen“ (167). Die Autorin
illustriert, wie die Schwestern diesen erweiterten
Entscheidungsspielraum in der Kleiderfrage gestalten, welche
Schwierigkeiten dabei auftauchen und wie sie als Mitglieder einer
Kongregation in Zivilkleidung innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft
wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht markierten die
Generationsgrenzen allerdings deutliche Unterschiede zwischen den
Frauen: Während die älteren Schwestern am Ordenskleid weiterhin
festhielten und die mittlere Generation „ihre Tracht abgelegt“ (172)
hätten, ließe sich bei den jüngeren keine einheitliche Strategie
feststellen. Dass jedoch diese Praxis, bei der sich einzelne junge
Schwestern zum Ordenskleid bekennen, in einen direkten Vergleich mit
dem kollektiven Phänomen „kopftuchtragende(r) islamischer
Universitätsstudentinnen und Bildungsmigrantinnen“ (173) gebracht wird,
ist nicht ohne weiteres einleuchtend.
Mit der Fragestellung, inwiefern es Frauen gelingt, „sich mit den
„vorgegebenen Machtstrukturen (Kirchenrecht) in einer von Männern
dominierten Amtskirche zu arrangieren“, ohne diese „Verhältnisse im
Innern ihrer Gemeinschaft“ (216) zu reproduzieren greift das fünfte
Kapitel noch einmal eine zentrale Untersuchungsperspektive der Studie
auf und beleuchtet diese am Begriff der Schwesternschaft. Aus diesem
Blickwinkel kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass weibliche religiöse
Genossenschaften „nach neuen Wegen gemeinschaftlichen Zusammenlebens“
suchen und sich von „vertikalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen“
hin zu „horizontalen Egalitätsbeziehungen“ (223) bewegen. Es wäre
allerdings spannend gewesen, diese zentrale Dimension des Wandels, die
selbstverständlich auch in der Kleiderordnung ihren Ausdruck findet,
deutlicher zu beleuchten. Dies hätte aber vorausgesetzt, die manifesten
und latenten Sinngehalte der veränderten Praktiken wie beispielsweise
der Möglichkeit, in Zivil zu gehen, stärker herauszuarbeiten.
Insgesamt vermittelt das Buch durch seine Perspektivenvielfalt
einen interessanten Einblick in eine religiöse weibliche
Genossenschaft. Ferner werden aus einem spezifischen Gegenstandsbereich
Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt, die sowohl die
religionssoziologische Debatte um die Säkularisierungsthese bzw. die
Wiederkehr des Religiösen als auch den sozialwissenschaftlichen
Forschungsstand über Formen weiblicher Vergemeinschaftungen anreichern
können. Ob es der Autorin jedoch gelungen ist, den im Klappentext
formulierten Anspruch einer „dichten Beschreibung der Alltagskultur
katholischer Ordensfrauen“ einzulösen, bleibt mehr als fraglich. Denn
anstatt die komplexen Bedeutungsstrukturen sozialen Handelns
aufzudecken und erklärende Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, was
dieses Wissen über die untersuchte Gemeinschaft aussagt, konzentriert
sich Hüwelmeier in weiten Teilen ihrer Untersuchung vielmehr auf eine
Beschreibung religiöser Praktiken, die additiv aneinandergereiht
werden. Um aber die Kultur einer Gemeinschaft zu verstehen, die sich im
Wesentlichen in der Religion begründet, ist es erforderlich, diese
Praktiken zu interpretieren, zu systematisieren und zu generalisieren.
Indem die Studie zwar eine Fülle von detaillreichen Informationen
bietet, jedoch auf eine tieferhende Reflexion verzichtet wird, hat sich
mir ein Zugang zu den Gedanken- und Lebenswelten von Ordensfrauen nur
bedingt erschlossen. In dieser Hinsicht bietet immer noch die vor
einigen Jahren unter dem Titel „Arbeiterinnen des Herrn“ erschienene
Publikation von Relinde Meiwes (Frankfurt/New York 2000), die sich als
Historikerin mit den Kongregationen im 19. Jahrhundert beschäftigt,
eine bessere Alternative.
EWR 6 (2006), Nr. 1 (Januar/Februar 2006)
Närrinnen Gottes
Lebenswelten von Ordensfrauen
Münster u.a.: Waxmann 2004
(241 S.; ISBN 3-83091-415-6; 24,90 EUR)
Walburga Hoff (Halle)
Zur Zitierweise der Rezension:
Walburga Hoff: Rezension von: Hüwelmeier, Gertrud: Närrinnen Gottes, Lebenswelten von Ordensfrauen. Münster u.a.: Waxmann 2004. In: EWR 6 (2006), Nr. 1 (Veröffentlicht am 13.02.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/83091415.html
Walburga Hoff: Rezension von: Hüwelmeier, Gertrud: Närrinnen Gottes, Lebenswelten von Ordensfrauen. Münster u.a.: Waxmann 2004. In: EWR 6 (2006), Nr. 1 (Veröffentlicht am 13.02.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/83091415.html