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RETTET-DIE-FREIHEIT Mit Swimmingpool

aus DER SPIEGEL 20/1960

Am Donnerstag dieser Woche werden

in Bad Godesberg die leitenden Männer des Komitees »Rettet die Freiheit« (RdF) zur wichtigsten Sitzung ihres knapp 15 Monate währenden Retter-Lebens zusammentreten. In einem ebenso vertraulichen wie kategorischen Ultimatum hat »Rettet die Freiheit«- Schatzmeister Dr. Hans B. Heil, zugleich Prokurist des Düsseldorfer Bankhauses Poensgen, Marx und Co. KG, gefordert, die Godesberger Zentrale von RdF und die Dienststelle München unverzüglich zu liquidieren.

»Unter Hinweis auf die äußerste Not bei RdF« teilte Schatzmeister Heil dem Komitee-Geschäftsführer Wolfgang Kanngießer mit: »Wenn bis zum 10. Mai dieses Jahres keine Gelder eingegangen sind, ist das Personal bis auf einen Notdienst, der aus Ihnen und einer Schreibkraft (Frau Kreisel) bestehen soll, sofort zu entlassen, um das Inventar dann nach diesem Zeitpunkt bestmöglichst zu verkaufen und einen Mieter schnellstens zu suchen.«

Eigentlich haben die Freiheitsretter ihre komfortable Büro-Etage (mit Swimmingpool im Garten) in der Godesberger Mittelstraße auf zwei Jahre fest gemietet. Schatzmeister Heil hat aber schon Vorstellungen entwickelt, wie man dieser Zwangslage entrinnen könnte. Er erinnert sich daran, daß »im Zeitpunkt der Anmietung dieser Räume Herr Major Sagner vor dem Vorstand erklärt hat, daß bei frühzeitiger Mietkündigung die Möglichkeit besteht, daß die Räume sofort durch Institutionen der Wehrmacht übernommen werden können.« Nur aufgrund, dieser Zusage und Absprachen, erklärt Heil, habe man sich damals in solches Risiko gestürzt.

Major Sagner, der vor Jahresfrist dem Hausbesitzer als honoriger Bürge vorgestellt wurde, ist zwar noch einer der drei Vereinsvorsitzenden und Mitglied des Ständigen Ausschusses, beim RdF -Komitee; aber seinen einflußreichen Platz im Ministerbüro Strauß mußte er mit einem Truppenkommando in einer Provinzgarnison vertauschen.

Da Major Sagner - fern von Strauß -

für »Rettet die Freiheit« kein Fürsprecher mehr sein kann, wandte sich RdF-Geschäftsführer Kanngießer an den ersten Vorsitzenden des Vereins, den CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Rainer Barzel. Aber Barzel ließ sich mehrfach verleugnen und tat im kleinen

Kreise kund, daß er aus dem Freiheits -Geschäft aussteigen wolle.

So werden zwei Bonner Persönlichkeiten hinfort auf ein scheinbar überparteiliches Instrument verzichten müssen, mit dem sie Großes vorhatten:

- Bundesverteidigungsminister Strauß wollte das Komitee zu einer »Koordinierungsstelle für psychologische Verteidigung« machen, die von Amts wegen einzurichten ihm bisher nicht gelungen ist.

- CDU-Abgeordneter Barzel hielt RdF für das rechte Mittel, sich selbst eine beachtenswerte Hausmacht zu schaffen, die ihm Ruhm und Ansehen bringen und die Tür zu Höherem öffnen helfen sollte.

Anfang vorigen Jahres hatte der Major im Straußschen Ministerbüro, Alfred Sagner, mit den Staatssekretären Globke (Kanzleramt), Ritter von Lex (Innenministerium) und Thedieck (Gesamtdeutsches) den Entschluß gefaßt, ein solches Komitee zu gründen, und schon war, auch der CDU-Abgeordnete Rainer Barzel zur Hand, den Vorsitz eines derart wohlgelittenen Vereins zu übernehmen.

Barzel, 1924 in Ostpreußen geboren und katholischer Konfession, Fliegerleutnant des Zweiten Weltkrieges, stand seit 1949 im nordrhein-westfälischen Staatsdienst, stieg mit knapp 30 Jahren zum jüngsten Ministerialrat der Bundesrepublik auf und erfreute sich besonderen Wohlwollens beim Düsseldorfer Ministerpräsidenten Karl Arnold, der ihn als Adjutanten, »Ghostwriter« und Berater anheuerte, weshalb dem intelligenten Mann eine weiterhin glänzende Karriere prophezeit wurde.

Indes, im Februar 1956 wurde die Regierung Arnold gestürzt, und der Sozialdemokrat Steinhoff bildete in Düsseldorf eine SPD/FDP-Koalition. Unglücklicherweise war Barzel kurz zuvor in die CDU eingetreten und hielt es auf eine entsprechende Frage Steinhoffs für gut, um unbezahlten Urlaub zu bitten.

Mit der Parole »Knieschlottern findet nicht statt!« stürzte sich Barzel, der sich keinesfalls wegen seiner politischen Haltung, wohl aber ob seines jugendlichen Ungestüms den Beinamen »Barzel von Schirach« sicherte, in die Landesparteiarbeit und zog neben Karl Arnold in den dritten Bundestag ein. Im Juni 1958 wurde Karl Arnold vom Tode dahingerafft. Barzel, nun ohne Mentor, hielt es für gut, sich neben der parlamentarischen Pfründe noch eine Stellung zu schaffen, die ihn der Partei unentbehrlich machen und den nächsten Wahlkampf bestreiten helfen würde. Er setzte sich an die Spitze des heute 17köpfigen RdF-Vereins.

Um die anfangs angestrebte äußere Überparteilichkeit zu dokumentieren, trat neben den Ersten Vorsitzenden Barzel als Nummer zwei des Bundesverteidigungsministers Vorzimmer -Major Sagner, der zugleich die Finanzierung verbürgte. Als Nummer drei fungierte der kurz danach aus der SPD ausgeschlossene Rundfunkredakteur Otto Stolz.

SPD, FDP und Gewerkschaftsbund distanzierten sich bald von der Straußschen Zweckgründung, die - so die FDP - »nur der Zusammenschluß der seit einem Jahrzehnt von der Bundesregierung ausgehaltenen CDU-Propagandaorganisationen sein« werde.

Nichtsdestotrotz suchten Strauß, Sagner und Barzel ihrer Gründung einen überparteilichen Anstrich zu geben. Als »Instrument zur Durchsetzung seiner Ziele« wünschte der »Verein« sich ein »Komitee« gleichen Namens anzugliedern, das - mit hochvermögenden Mitgliedern - die notwendige seriöse Folie abgeben sollte. Vereinsvorsitzender Barzel rief zur Gründung dieses Komitees auf, und mit ihm unterzeichneten 36 prominente Bundesbürger den Appell, darunter die Bundesminister Erhard, von Merkatz, Schröder und Strauß, die Professoren Emil Dovifat, Pascual Jordan und Theodor Litt.

Am 20. Februar 1959 trat die Gründungsversammlung in der Kölner Industrie- und Handelskammer zusammen, 150 von 800 Eingeladenen waren gekommen, Konrad Adenauer hatte ein Grußtelegramm geschickt. Nato-Generalsekretär Spaak hielt die Festrede und riet zur atomaren Bewaffnung.

Der Verein hatte seine Arbeit gerade begonnen, da gab es die erste ärgerliche Panne. Ein Mitglied der RdF -Gründungsgruppe, Wolfram von Hanstein, Vizepräsident und Generalsekretär der »Liga für Menschenrechte«, entpuppte sich nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft als »höchstbezahlter DDR-Agent in der Bundesrepublik«. Er wurde verhaftet.

Bald hatte Barzel das ungute Gefühl, daß ihn Major Sagners Vormachtstellung bei »Rettet die Freiheit« nicht recht zur Entfaltung kommen ließ. Die unter dem Patronat des Generalleutnants a.D. Erich Schneider und bei aktiver Mitwirkung eines Majors Bauer vom Bundesverteidigungsministerium gegründete RdF-Arbeitsgruppe. »Wehrfragen« entfaltete ein reges Eigenleben. Ihre Mitglieder durften jederzeit Unterlagen des Ministeriums anfordern und sogar die Schreibkräfte des Ministerbüros in Anspruch nehmen, und das Bundespresseamt finanzierte durch das Referat Küffner eine kostspielige Paris-Reise.

In dieser Situation beschloß Barzel unter Assistenz von Otto Stolz, sich finanziell von offiziellem Geld etwas unabhängiger zu machen und stärker als bis dahin die Industrie um Geld anzugehen.

Spenden für »Rettet die Freiheit« waren nämlich als staatspolitisch wertvolle Ausgaben steuerlich abzugsfähig. Die Industrie jedoch zeigte sich äußerst reserviert. Dabei mochte mitspielen, daß man Barzel als linken Flügelmann« der nordrhein-westfälischen Landesbehörden in Erinnerung behalten hatte, wozu unter der Hand bekannt wurde, daß der Freiheitsretter sogar Mitglied der Gewerkschaft »Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr« ist.

Während sich Barzel vergeblich mühte, seinen Konkurrenten Sagner bei RdF finanziell zu überspielen, stolperte der Major - ohne Barzels Zutun - aus dem Bonner Gesichtskreis.

Sagner kannte eine Journalistin namens Susanne Sievers gut. Die Damen« die bei »Rettet die Freiheit« in eine wichtige Stellung bei der Arbeitsgruppe für Wehrfragen gerückt worden war, hat bereits mancherlei Berührung mit dem kommunistischen Totalitarismus gehabt, den sie nun bekämpfen sollte.

Schon Ende Juni 1952 wußten Westberliner Zeitungen von dem Abenteuer einer Bonner Sekretärin - Susanne Sievers - zu berichten, die am 25. Juni jenes Jahres mit eigenem Auto und einer Tasche voller. Geheimpapiere durch die Zone nach Berlin gefahren war.

Indessen trafen nur das Auto und Susanne Sievers vor dem Roxy-Hotel am Kurfürstendamm ein, die Papiere - unter anderem »Informationsmaterial« über leitende Regierungsbeamte und Parteiführer - müssen zwischen Babelsberg und Dreilinden aus dem Auto gefallen sein.

Sofort telephonierte Susanne Sievers mit Bonn und erhielt von einem damaligen Freund den Rat, sich mit dem Zonenjustizminister Fechner in Verbindung zu setzen. In der Zwischenzeit hatte jedoch ein aus Westdeutschland kommender Fernfahrer auf unbegreiflich wundersame Weise die Dokumente wiedergefunden und den Westberliner Behörden übergeben.

Susanne Sievers aber, die von dieser glücklichen Fügung nichts wußte, fuhr zweimal hintereinander in den Ostsektor, aus dem sie am 27. Juni 1952 nicht mehr wiederkam. Augenzeugenwollen sie im November 1952 im Garten einer Villa in Schmöckwitz (Ostsektor) gesehen haben, wo sie Passanten ihren Namen zuzurufen versuchte.

Als Susanne Sievers wiederkam, war sie um beinahe sieben Jahre älter geworden. Dennoch ging sie am 26. Mai 1959 wieder in den Ostsektor; wobei sie von zwei Verfassungsbeschützern heimlich beobachtet wurde. Sie wollte dort wie sie später erklärte - eine alte Gefängniskameradin anrufen.

Nach ihrer Rückkehr aus Berlin trat der »Militärische Abschirmdienst« (MAD) an Barzel heran, um ihn über Frau Sievers aufzuklären. Barzel glaubte jedoch keine Verdachtsmomente zu besitzen und beließ die Sievers - weil ihm auch der Verfassungsschutz keine konkreten Beschuldigungen vorbringen konnte - im vereinsinternen Wehrausschuß.

Hohe Offizierssoldaten hielten es aber mit Rücksicht auf die moralischen Prinzipien der Bundesrepublik für opportun; den Major Sagner von Susanne Sievers räumlich zu trennen.

Sagner wurde nach Rücksprache mit Strauß aus dem Ministerium endgültig entfernt und als stellvertretender Bataillonskommandeur nach Westfalen versetzt, auch im Hinblick auf ein anderes Mißgeschick, das ihm den Beinamen »Milchflaschen-Sagner« eingebracht hatte (SPIEGEL 40/1959).

Die Freude des Dr. Barzel über die unverhoffte Ausbootung Sagners wich jedoch bald der Einsicht, daß mit dem Mitarbeiter des Franz-Josef Strauß auch ein Freund und Förderer von Rettet die Freiheit« ausgeknockt worden war. Das Komitee, von der Industrie nur äußerst spärlich mit Geld bedacht und auch von offizieller Seite immer kürzer gehalten, weil es keineswegs die an seine Gründung geknüpften Hoffnungen erfüllte, kam in zunehmende Finanzschwierigkeiten.

Um diese Kalamität zu beheben, beschloß man, Ende März dieses Jahres auf dem zweiten Jahreskongreß von »Rettet die Freiheit« in Frankfurts Palmengarten und Paulskirche die öffentliche Meinung mit einem Donnerschlag zu wecken.

Bereits Ende 1959 waren die Vorarbeiten zu einem »Rotbuch gegen die kommunistische Untergrundarbeit in der Bundesrepublik« weit gediehen, das ein Journalist namens Hans Hartl aus München verfaßt hatte.

Das Rotbuch mit dem Titel »Verschwörung gegen die Freiheit« enthielt Namen von Institutionen und Persönlichkeiten, die sich vornehmlich gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen hatten und nach Hartls Ansicht damit zu Steigbügelhaltern für die apokalyptischen Reiter aus dem Osten geworden waren.

Hartl, dem offenbar selbst nicht ganz wohl bei der Sache war, gab das »Rotbuch« dem Dr. Rainer Barzel drei Wochen vor Veröffentlichung zur Durchsicht, mit der Bitte, etwa anstößige Formulierungen zu reklamieren. Barzel überflog das unübersichtliche 175-Seiten -Pamphlet mit raschem Zug. Am 25. März, auf dem Frankfurter RdF-Kongreß, freute er sich: »Meine Damen und Herren, wir haben das Rotbuch herausgebracht als eine ganz große Sache...«

Am nächsten Morgen ließ er sich durch den Hotelboy die Morgenzeitungen bringen und las eine Passage des Rotbuchs im Nachdruck der »Frankfurter Rundschau": »Wenn auch wahrscheinlich in keinem direkten Kontakt mit dem Osten, so doch in einem bedenklichen geistigen Verwandtschaftsverhältnis zu ihm steht der Außenseiter der CDU, der Bundestagsabgeordnete Peter Nellen...«

Bleich stöhnte Barzel: »Ich bin ruiniert; meine Karriere ist aus!« Er schrieb einen flehentlichen Brief an seinen Parteifreund Nellen und suchte den Fraktionsvorsitzenden Dr. Krone auf, um sich zu entschuldigen. Barzel beschloß, Komitee und Verein mit Rücksicht auf seine Karriere fortan zu schneiden.

Ende April sagte der Chefideologe des Komitees, der Journalist Ernest J. Salter alias Henry Johannsen, der wegen seiner Komitee-Mitarbeit aus der SPD ausgeschlossen worden war, jede weitere Mitarbeit bei »Rettet die Freiheit« auf.

Das Rotbuch wurde eilends durch eine Neufassung ersetzt, die den CDU -Atomgegner Nellen ungeschoren ließ. Dennoch war »Rettet die Freiheit« am Ende. Leichtfertig angeschuldigte Bundesbürger erstatteten Dutzende von Strafanzeigen gegen »Rettet die Freiheit«; die Kasse war - nach Abbuchung der Unkosten für die Frankfurter Veranstaltung - leer.

Einen allerletzten Strohhalm für den bankrotten Verein hat Schatzmeister Dr. Heil allerdings noch im Auge: Schrieb er an Geschäftsführer Kannengießer: »lch habe nichts dagegen, wenn Sie die verschiedenen Briefe und Anordnungen, die ich getroffen habe, Herrn Minister Strauß zur Einsichtnahme vorlegen, um Herrn Strauß beziehungsweise Herrn Globke die ernste Situation bei RdF vor Augen zu führen.«

Was den Vereinsmitgliedern unbekannt ist, las Prokurist Dr. Heil aus der RdF-Satzung heraus: »Ich muß Sie darauf hinweisen, daß entstehende Schulden - wenn sich nach dem 10. Mai dieses Jahres die Notwendigkeit ergeben sollte, daß ein Konkurs angemeldet werden muß - laut Satzung nicht vom Komitee, sondern von Mitgliedern des Vereins getragen werden müssen.«

Erstmalig laufen Vereinsmeier und Gschaftlhuber Gefahr, für ihre leeren Ideale ein persönliches Opfer bringen zu müssen.

CDU-Prominenz in Karlsruhe: Parteitag des Zahlens

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Knieschlottern findet nicht statt

Freiheits-Funktionär Sagner

Ein Verein geht baden

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