Migration und Sexualität : Die Ausprägungen des wahrgenommenen sexuellen Interesses im kulturellen Vergleich

Um mehr Klarheit in die Diskussion darüber zu bringen, ob Migranten aus muslimisch geprägten Ländern ein stärkeres Potenzial für sexuelle Übergriffe aufweisen, wurden 61 Männer, die in einem muslimisch geprägten Land aufgewachsen sind, sowie 72 Männer ohne Migrationshintergrund untersucht. Nach der Theorie des Sexual Overperception Bias (Abbey, 1982) wurde das von Männern bei Frauen wahrgenommene sexuelle Interesse untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchung liefern Hinweise darauf, dass es unterschiedliche Ausprägungen des wahrgenommenen sexuellen Interesses bei den muslimischen und den nicht muslimischen Probanden gibt, welche auf Wechselwirkungen verschiedener Faktoren beruhen. Diese Faktoren sind die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Kulturgruppe, das Kopftuch als Kleidungsmerkmal bei der Frau und die nonverbalen Zeichen der Frau. Die Probanden der muslimischen Kulturgruppe haben bei den meisten zuvor genannten Kombinationen sexuelles Interesse bei der Frau im Vergleich stärker wahrgenommen. Die Wahrnehmung des sexuellen Interesses stimmte meist mit dem überein, was von der Frau vermittelt werden sollte, oder war noch geringer. Das Kopftuch schien es für beide Kulturgruppen schwieriger zu machen, die nonverbalen Zeichen zu deuten, und besonders Männer aus westlichen Kulturkreisen ließen sich durch das Kopftuch zu der Annahme von sexuellem Desinteresse verleiten, auch wenn die nonverbalen Zeichen dieselben waren, wie bei der Frau ohne Kopftuch. Um zu prüfen, ob die Ausprägung des wahrgenommenen sexuellen Interesses durch kulturelle Faktoren stärker beeinflusst wird als durch individuelle Charaktereigenschaften, wurde der Einfluss von mehreren soziodemographischen und individualpsychologischen Faktoren untersucht. Es ließ sich jedoch nur ein geringer Teil der Varianz mit den eingeführten Faktoren aufklären.