Sahlins These zur fehlenden Freidenssicherheit in Stammesgesellschaften


Term Paper, 2000

26 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sahlins These

3. Krieg
3.1 Die Motivation
3.2 Der Krieg als Erfindung
3.3 Arten von Gewalt

4. Fehden
4.1 Merkmale einer Fehde
4.2 Die Dongria-Kondh
4.3 Die Bondo

5. Zusammenfassung

6. Stellungnahme

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In meiner Arbeit untersuche ich die These von Sahlins, dass in Stammesgesellschaften die Friedenssicherheit fehlt. Auf diese These werde ich zunächst genauer eingehen. Fehlt die Friedenssicherheit, besteht die Gefahr des Kriegsausbruches. Also soll danach geklärt werden, was ein Krieg ist und was die Gründe für einen Kriegsausbruch sind. Mit dieser Grundlage versuche ich dann festzustellen, ob man die allgemeinen Aussagen auch auf Stammesgesellschaften beziehen kann und ob sich Sahlins’ These so bestätigen lässt.

Im Folgenden werde ich dann genauer auf die Fehde als einer Form der Gewalt in Stämmen eingehen. Die Merkmale und der Ablauf einer Fehde sollen geklärt sein, bevor die Frage gestellt wird, ob sich eine Fehde mit einem Krieg vergleichen lässt. Um den allgemeinen Ablauf einer Fehde präziser darzustellen und um das auf die Realität zu beziehen, ziehe ich ethnographisches Material aus Mittelindien zur Hilfe.

Mit den Beispielen des Stammes der „Dongria Kondh“ und der „Bondo“ aus dem Staat Orissa möchte ich überprüfen, ob Sahlins wirklich Recht damit hat, dass er von einer fehlenden Friedenssicherheit in Stammesgesellschaften spricht.

Ich möchte betonen, dass ich zuerst nur verschiedene Autoren zitiere und ihre Aussagen objektiv auf Sahlins’ These anwende. Hierbei lasse ich keine persönliche Meinung einfließen. Meine subjektive Meinung, Kritik und Beantwortung der Frage, ob Sahlins sich nun bestätigen oder ablehnen lässt, werden erst im gesonderten Textteil „Stellungnahme“ zum Zuge kommen. Bis dahin möchte ich mich von den mitunter diskriminierenden Aussagen distanzieren.

2. Sahlins’ These

In seinem Buch „Tribesmen“ stellt Sahlins die These auf, dass Stammesgesellschaften im Gegensatz zu Zivilisationen die Friedenssicherheit fehlt.

Er geht davon aus, dass sich Stämme und Zivilisationen grundlegend voneinander unterscheiden. Der größte Unterschied liegt seiner Meinung darin in der Haltung zu Krieg und Frieden und in der politischen Wirkungsweise in bezug auf diese Themen (Sahlins 1968: 5).

In der Zivilisation, so glaubt Sahlins, werden Gesetz und Ordnung aufrechterhalten und es herrscht eine institutionelle Friedensgarantie, die die soziale Komplexität und den kulturellen Reichtum der Gesellschaft aufrechterhält. In einer Stammesgesellschaft hingegen herrscht, so Sahlins, ein ständiger Zustand des Krieges, was die Komplexität und die Kultur einer Gesellschaft begrenzt (Sahlins 1968: 5). Für Sahlins bedeutet „Krieg“ in diesem Zusammenhang nicht zwingend die Ausübung von Gewalt.

Er bemerkt auch, dass in einer Zivilisation die Regierung versucht, den Frieden zu erhalten, während in einer Stammesgesellschaft keine politische und moralische Autorität zu diesem Zweck existiert (Sahlins 1968: 5). Der Staat in einer Zivilisation hat das Monopol auf die Macht, er hat das Recht, die gesamte Macht zu kontrollieren (Sahlins 1968: 6). Sahlins sieht spezialisierte politische Organisationen, wo Regierung und Wirtschaft das Gesetz und die Ordnung sichern können (Sahlins 1968: 8). Für jeden Teilbereich in der Wirtschaft und der Regierung gibt es spezielle Einrichtungen, die voneinander größtenteils unabhängig agieren können. Zur Stammesgesellschaft denkt er hingegen: „a tribe is an animal without a central regulative system“ (Sahlins 1968: 7). Er meint damit, dass es in einem Stamm keine zentrale Macht gibt, die den Frieden sichern kann und somit einen Krieg zu verhindern imstande wäre.

Sahlins stellt aber auch fest, dass ein Stamm trotzdem Versuche anstellt, den Frieden zu sichern. Zum einen nennt er ökonomische Beziehungen: der reziproke Gabenaustausch lässt sich in seinen Augen mit zivilisierter Diplomatie vergleichen, weil kein Wettbewerb um Ressourcen im westlichen Sinn stattfindet und der eigentliche Tausch wichtiger ist als der getauschte Wert. Die Reziprozität ist somit ein Instrument zur Förderung von Solidarität und Freude (Sahlins 1968: 9).

Zum anderen baut Sahlins auf der Annahme auf, dass „The State of Nature“ (Sahlins 1968: 4) eine Stammesgesellschaft also, im Gegensatz zur zivilisierten Gesellschaft auf Verwandtschaftssystemen basiert und nicht auf dem Prinzip des Territoriums (Sahlins 1968: 5). In den tribalen sozialen Beziehungen sieht er einen weiteren Versuch, den Frieden in einem Stamm zu sichern: die Verwandtschaft stellt quasi das Fundament für den Frieden dar (Sahlins 1968: 10). „Classificatory kinship“ (Sahlins 1968: 11) bekommt eine politische Funktion. Innerhalb einer Generation erhalten alle Personen die gleiche Bezeichnung, es wird beispielsweise nicht zwischen Vater, Onkel und Großonkel unterschieden. Alle Männer dieser Generation erhalten in dem Fall den Namen „Vater“, auch wenn sie gar nicht die biologischen Väter sind. Wichtig bei dieser Klassifizierung sind aber auch nicht die biologischen Beziehungen zueinander, sondern die sozialen Beziehungen. Durch die Anrede „Vater“ wie hier im Beispiel ist sichergestellt, dass man einer Person einen ungleich höheren Stellenwert beimisst als einem weitläufigen Verwandten und ihm durch den neuen Status mehr Respekt entgegenbringt (Sahlins 1968: 11).

Ein weiterer Begriff, den Sahlins anführt, ist „descent groups“ (Sahlins 1968: 11). Eine Gruppe von Verwandten ist durch einen gemeinsamen Ahnen mit einer anderen verbunden, was die Solidarität zwischen Personen fördert, die ansonsten überhaupt keine Gemeinsamkeiten hätten (Sahlins 1968: 11).

Als besonders wichtig sieht Sahlins „intermarriage“ an (Sahlins 1968: 12). Hierbei werden durch Hochzeiten zwischen verschiedenen Gruppen Allianzen, starke Verbindungen gebildet; eine Heirat wird zur institutionellen Strategie (Sahlins 1968: 12). Außerdem stärken auch die gemeinsamen Zeremonien und Rituale den Zusammenhalt zweier Gruppen (Sahlins 1968: 12).

Es wird sichtbar, dass in Stammesgesellschaften die sozialen Beziehungen zu einem Fundament werden, das mit Hilfe der Solidarität den Frieden sichern will.

Zusammenfassend sieht Sahlins in Zivilisationen stark spezialisierte politische Institutionen, Regierungen, die die gesamte Macht innehaben. Diese Organisation ist unbedingt notwendig zum Funktionieren eines Staates (Sahlins 1968: 12).

Auf der anderen Seite stehen die Stammesgesellschaften ohne einen Staat. Weil sie mehr auf Verwandtschaft als auf Institutionen basieren und vor allem, weil die Institutionen generalisiert sind, ist keine Friedenssicherheit gewährleistet und die Gesellschaft befindet sich somit im ständigen Kriegszustand (Sahlins 1968: 12).

Sahlins betont, dass Krieg nicht unbedingt die Ausübung von Gewalt bedeutet (Sahlins 1968: 5). Wenn er nun aber davon spricht, dass sich Stammesgesellschaften ständig im Kriegszustand befinden, was kann Krieg in Stammesgesellschaften dann bedeuten?

Im Folgenden soll dieses Problem näher betrachtet werden.

3. Krieg

Die allgemein geläufige Definition des „Krieges“ besagt, dass es eine Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Staaten gibt, wobei der Konflikt mit Gewalt ausgetragen wird. Die Politik ist involviert: „Generally speaking, [...] war is politics.“ (Park 1964: 244).

Um näher zu ergründen, was Krieg in Stammesgesellschaften ist, muss vorher geklärt sein, was ein Krieg im Allgemeinen ist und warum er überhaupt ausbrechen kann. Welche Gründe kann es geben, einen Krieg zu führen und was ist die Motivation?

3.1 Die Motivation

Park meint, in einem Krieg geht es entweder darum, territoriale Grenzen und Souveränität zu wahren, oder darum, Strafen gegen die zu verhängen, die in ökonomischem oder politischem Konflikt zu einer Natzion stehen. Alles passiert im Interesse der jeweils herrschenden Partei, Nation oder Rasse (Park 1964: 244). Das heißt konkret, dass die Herrschenden ein Gebiet ausdehnen wollen, in dem der Frieden erhalten werden soll, dass die Herrschenden in diesem Gebiet ihre politische Macht kreieren und organisieren wollen, und dass sie somit ihre Ideologie etablieren und mit allen Mitteln Akzeptanz für die neu eingeführte soziale und politische Ordnung herzustellen versuchen (Park 1964: 244).Laut May werden hierbei sämtliche moralischen oder religiösen Werte um die Gewalt herum organisiert (May 1964: 152). Werte und Normen werden so ausgelegt, dass sie im Interesse der Herrschenden die Vorgehensweisen bekräftigen und das erwünschte Resultat schneller erzielen können.

Krieg muss jedoch nicht immer den Beigeschmack zerstörerischer Gewalt haben; Sumner sieht in Kriegen sogar den Schöpfer neuer sozialer Zusammenhänge: „War also develops societal organization“ (Sumner 1964: 222). Er sagt damit aus, dass durch Kämpfe und Konflikte neue Interessensgruppierungen entstehen, die wiederum politische Organisationen und soziale Klassen produzieren.

Mit diesen Ansichten als Basis bekommt Krieg die Rolle des Instruments, das mit Hilfe von Gewalt die Übernahme von Macht ermöglichen soll. Ob es nun darum geht, ein Territorium zu besitzen oder eine Ideologie zu verbreiten, die Herrschenden wollen so ihre Macht ausbauen und zur Geltung bringen.

Nicht alle Mächtigen führen aber einen Krieg, und der Weg zur Macht führt auch nicht zwangsweise über die Androhung und Ausübung von Gewalt. Es gibt sogenannte Krisenregionen, in denen es öfter als anderswo zu gewalttätigen Konflikten kommt. Im Nahen Osten beispielsweise eskalieren Konflikte öfter als in Westeuropa. Soll man deswegen davon ausgehen, dass die Bereitschaft zur Kriegsführung sich nur in bestimmten Menschengruppen befindet? Trifft das dann auch auf die Stammesgesellschaften zu? Diese Frage soll im Folgenden betrachtet werden.

[...]

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Details

Title
Sahlins These zur fehlenden Freidenssicherheit in Stammesgesellschaften
College
University of Heidelberg  (Institut für Ethnologie)
Course
Stämme und Kasten in Orissa (Indien)
Grade
1,7
Author
Year
2000
Pages
26
Catalog Number
V37427
ISBN (eBook)
9783638367721
File size
549 KB
Language
German
Keywords
Sahlins, These, Freidenssicherheit, Stammesgesellschaften, Stämme, Kasten, Orissa
Quote paper
Andrea Bernhardt (Author), 2000, Sahlins These zur fehlenden Freidenssicherheit in Stammesgesellschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37427

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