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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 1
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Goetz, Hermann: Indische Miniaturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0007

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER:
CURTGLASER • GUSTAVKIRSTEIN • HANS TIETZE
VERANTWORTLICHE REDAKTION.
ALFRED KUHN
NR. 1 6. OKTOBER 1922

Ein fendungs (teile für al 1 e M a n u fk ri p t e, außer Österreich und München: Dr.Alfred Kuhn,
Berlin W 62, Ku r für ft e n Itr aß e 126 ■ Für Ölterreich: Wiener Redaktion, Prof. D r. H. Tietze,
Wien XIX, Armbrultergaffe 20 ■ Für München: Münchener Redaktion, Dr. Hans Rupe,
München, Widenmayerftraße39III ■ Verlag von E. A. Seemann, Leipzig,Ho fpitalltraßella

INDISCHE MINIATUREN
VON H. GOETZ
OLLENDUNG ift der Tod, und nur das Unvollendete,
glichene kann leben. Der reife Menfch fucht feinen Gegenpol, um neues
Leben zu zeugen, die gefchloffene Kultur träumt von fernen Welten, die ihr
ergänzendes Widerfpiel feien. Als das Rokoko ftarb, träumte es von dem
Zauberlande der Turandot und des großen Moguls. Anderthalb Jahrhunderte
find vergangen und wieder brauft der Llmfturz durch Europa, und wieder
laftet der Traum des Oltens über uns. Aber er ift nicht derfelbe. Die große
Zeit der Chinoiferien haftete an der äußeren Erfcheinung, he nahm nur die
fremde exotifche Form auf. Wir bauen auf all der Arbeit auf, die diefer
Traum gezeugt, der inneren Erlchließung des Oltens. Und die neue Sehn-
fucht ftrebt nun nach der Seele der fernen Länder, und fucht he überall, wo
fie ihren Ausdrude finden zu können glaubt. Dem Künftler des 18. Jahr-
hunderts waren China und Indien eine Welt phantaftifdier Anregung, aber
er zeigte für fie ebenfowenig Verltändnis, wie die Menfchen des Klaffizismus,
denen die Kunltwerke des Orients ein Greuel waren. Heute ift das anders
geworden. Mag auch jetzt noch für viele die Kunft des Oftens ein modifches
Sammelobjekt fein, für noch mehr ift fie ein neues Erlebnis, eine Bereicherung
ihres kulturellen Lebens geworden. Aber nicht gleicherweife. Die Meifter-
werke Chinas und Japans waren fo grundverfchieden von aller weltlichen Auf-
falfung, als daß man einen kritifchen Vergleich ernfthaft auch nur hätte ver-
fuchen dürfen. Und die einheimifche äfthetifche Literatur, die Urteile einheimifcher
Sammler gaben die Möglichkeit, den Weg zu ihrem Verltändnis zu finden.
Anders war es aber mit der Kunft Indiens. Sie war nie von den einheimifchen
Literaten anerkannt worden, war ewig ein, wenn auch hoch behendes, Hand-
werk gewefen. Nichts als fie felbft konnte helfen fie zu erleben, denn felbft
die Literatur, die Dichtung jener Zeiten, da fie ihre höchfte Blüte erreichte,
wurden von der europäifchen Forfchung mehr oder minder vernachläfßgt. Was
Wunder, daß man fie lange einfach als einen dekadenten Ausläufer weltlicher
 
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