Mentalities Matter : Sozial-ökologische Mentalitäten und ihre Bedeutung in post-fossilen Transformationen

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Transformation hin zu einer post-fossilen Wirtschaft auf Grundlage erneuerbarer und bio-basierter Energien und Ressourcen unvermeidlich ist, und dass dies grundlegende strukturelle Veränderungen in modernen Gesellschaften verlangt. Diese Veränderungen werden jedoch bislang vor allem als technologische Innovationen und Umgestaltungen von Produktionsprozessen und Infrastrukturen verstanden. Weitaus weniger beachtet werden dagegen die Fragen, wie sich post-fossile Transformationen auf die gegenwärtig verbreiteten Lebensweisen bzw. typischen Muster von Alltagspraktiken sowie auf die Mentalitäten bzw. Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsgewohnheiten der in diesen Gesellschaften lebenden Menschen auswirken (müssen), die ihrerseits nicht minder von 200 Jahren Fossilismus geprägt sind. Dieses Working Paper stellt unseren Ansatz einer relationalen sozial-ökologischen Mentalitätsforschung vor, den wir als notwendige Ergänzung zur bestehenden Forschung über postfossile Transformationsprozesse vorschlagen, um diese beiden Dimensionen systematisch in den Blick zu nehmen. Es erörtert zunächst den Mentalitätsbegri als konzeptionellen Ausgangspunkt, skizziert seine Ursprünge in der Tradition der deutschen Soziologie und gibt ihm eine solidere theoretische Grundlage, indem es ihn in Pierre Bourdieus eorie der Praxis mit ihrem Habituskonzept verankert. In Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Debattensträngen der sozial-ökologischen Forschung (u.a. zu gesellschaftlichen Naturverhältnissen, den materiellen, institutionellen und mentalen Infrastrukturen fossiler Wachstumsgesellschaften und den Dynamiken von Externalisierung und Ungleichheit, die den entsprechenden Lebensweisen zugrunde liegen) schlagen wir eine Reihe von Erweiterungen vor, durch die sich die relationale Praxistheorie für sozial-ökologische Fragen sensibilisieren lässt. Hiervon ausgehend schlagen wir ein "sozial-ökologisches Update" von Bourdieus Praxistheorie vor, das sie mit dem Konzept der "sozialen Naturbeziehungen" und der Konstruktion eines "Raums der sozialen Naturbeziehungen" in Analogie und Ergänzung zum Raum der sozialen (Klassen-)Beziehungen an diese Debatten anschließt.

It is widely agreed that a post-fossil transformation towards an economy based on renewable energies and bio-based material sources is inevitable and that this will bring
fundamental changes for modern societies. However, these changes are so far mostly
imagined in terms of technological innovations and reconfigurations of productive
processes and infrastructures. What is receiving much less attention are questions pertaining to how post-fossil transformations will (have to) affect and reshape the modes
of living, or patterns of everyday practices, as well as the mentalities, or habits of perception, evaluation and action, that are no less shaped by 200 years of fossilism. This paper introduces our approach of a relational socio-ecological research on  mentalities, which we propose as a necessary addition to existing research on post-fossil transformation processes that enables a systematic focus on these two dimensions. It discusses the concept of mentalities as our theoretical starting point, sketching its origins in the tradition of German sociology, and provides it with a more solid theoretical foundation by drawing on Pierre Bourdieu’s theory of practice with its concept of habitus. To (re-)introduce an ecological dimension into the Bourdieuian conceptual framework, we propose a number of extensions to it, by engaging with different strands of debate in socio-ecological research, including those on societal nature relations, the material, institutional and mental infrastructures of societies founded on fossil-driven economic growth and the dynamics of externalization and inequality underlying the modes of living enabled by that growth. As a result, we suggest a "socio-ecological update" to Bourdieu's practice theory, linking it up to those debates through the concept of „social relations with nature“, and the construction of a „space of social relations with nature“ in analogy and addition to the space of social (class) relations.

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